"Luxemburgs Attraktivität ist hoch". Le ministre des Finances Luc Frieden au sujet de la crise économique et financière et ses répercusssions sur le contexte luxembourgeois

Luxemburger Wort: Der Finanzplatz blickt auf ein durchwachsenes Jahr zurück. Sind wir im zweiten Jahr nach der Krise oder eher noch im Jahr 2 der Krise?

Luc Frieden: Die Krise ist mit Sicherheit nicht vorüber. Wir haben in Europa nur ein schwaches Wachstum, gestützt durch die Konjunkturprogramme. Die Krise ist zudem nicht zu Ende, weil wir innerhalb der EU Schulden und Defizite haben. Es sind noch eine Reihe von Umstrukturierungen notwendig. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber man kann noch nicht sagen, dass die Krise endgültig vorüber ist.

Luxemburger Wort: Die Abhängigkeit Luxemburgs vom Finanzplatz wird sich auch in den kommenden Jahren nicht sonderlich verringern. Welche Folgen ergeben sich mittelfristig für die Staatskasse, wenn das Geschäft der Banken nicht mehr so schnell die hohen Niveaus der Vorjahre erreicht?

Luc Frieden: In allen Ländern der Europäischen Union muss in den nächsten Jahren gespart werden. Für die einen gilt es, die Staatsverschuldung zu verringern. Andere Länder wie Luxemburg müssen aufpassen, dass ihre Schulden nicht aus dem Ruder laufen. Wir müssen uns an eine neue Situation anpassen, nachdem man in verschiedenen Ländern zu lange über die Verhältnisse gelebt hat. In Luxemburg konnten wir in den guten Jahren Reserven anlegen. Das erlaubt uns jetzt in der Krise, Konjunkturprogramme zu finanzieren.

Luxemburger Wort: Welche direkten Folgen ergeben sich aus dem "Schulden-Himalaya" Griechenlands für die Aktivitäten der Finanzbranche in Luxemburg?

Luc Frieden: Der Fall Griechenland hat keine substantiellen Folgen für den Finanzplatz Luxemburg, weil das finanzielle Engagement der Banken in dem Land nicht groß ist. Die hiesigen Finanzinstitute halten griechische Staatsanleihen in Höhe von etwa 3,5 Milliarden Euro, was bei einer Bilanzsumme von 500 Milliarden Euro ganz wenig ist. Wir müssen jedoch die Schuldensituation in einer Reihe von Euro-Staaten in den Griff bekommen.

Luxemburger Wort: Durch die griechische Schulden-Krise scheinen andere internationale Themen, die die Zukunft des Finanzplatzes betreffen, in den Hintergrund gerückt zu sein. Stichwort Regulierung oder Besteuerung von Risikogeschäften?

Luc Frieden: Die Themen sind nicht in den Hintergrund getreten. Ich hatte diese Woche noch ein Gespräch mit Binnenmarktkommissar Michel Barnier über die Themen Regulation und Besteuerung von Risikogeschäften. Wir waren uns einig, dass Bestimmungen nur Sinn machen, wenn sie an allen großen Finanzplätzen gleicherma-ßen gelten, um eine Abwanderung des Kapitals aus Europa zu verhindern. Europa muss zunächst eine gemeinsame Position finden und diese gegenüber anderen Ländern vertreten.

Luxemburger Wort: Ein europäischer Alleingang würde also keinen Sinn machen. Wird Europa mit einer Meinung bei den G-20 antreten?

Luc Frieden: Das wäre mein Wunsch. Bislang hat Europa aber keine einheitliche Meinung. Eine Besteuerung von einzelnen Finanztransaktionen in ein paar Ländern ist kontraproduktiv. Luxemburg sollte keiner Regelung zustimmen, die nicht auch in London oder New York gilt. Zunächst benötigen wir aber eine Position, die von allen EU-Mitgliedsstaaten getragen wird. Das ist ganz wichtig.

Luxemburger Wort: In Brüssel dürfte man zudem die Diskussion über das Bankgeheimnis und den automatischen Informationsaustausch wieder aufnehmen. Wie ist die Luxemburger Position?

Luc Frieden: Die Diskussionen rund ums Bankgeheimnis und die Zinsrichtlinie sind nach wie vor aktuell. Als Luxemburger müssen wir uns nicht die Frage stellen, ob wir für oder gegen das Bankgeheimnis sind. Die Frage ist, wie die anderen Regierungen das sehen und welche Folgen sich dadurch für Luxemburg ergeben. Unsere Position inspiriert sich an internationalen Entwicklungen.

Luxemburger Wort: Gibt es in fünf Jahren noch ein Bankgeheimnis?

Luc Frieden: Tatsache ist, dass das Bankgeheimnis in den nächsten Jahren für neue Kunden an Bedeutung verlieren dürfte, auch durch die Steueramnestien sowie durch aggressivere Methoden wie z.B. dem Datenklau. Aber es wird Anpassungen an sich verändernde Kundenansprüche geben, die wir in den nächsten zehn Jahren beobachten können. Ich wünsche mir zudem in Europa eine Diskussion über eine effiziente Quellensteuerregelung.

Luxemburger Wort: Die EU-Kommission hat mit ihren Auflagen die Konsolidierung im Privatkundengeschäft in Luxemburg beschleunigt. Welche Zukunft hat das Private Banking?

Luc Frieden: Private Banking in Luxemburg hat eine Zukunft. Das Privatkundengeschäft benötigt internationales Know-how sowie Qualität in der Beratung. Das bietet Luxemburg wie kaum ein anderer Finanzplatz. Darauf sollten die Banken ihre Strategie ausrichten. Das Bankgeheimnis ist nur ein kleiner Teil der Attraktivität Luxemburgs.

Luxemburger Wort: Wettbewerbsfähigkeit ist das Wort des Jahres. Was plant die Regierung, um die Attraktivität des Finanzplatzes zu erhöhen?

Luc Frieden: Luxemburgs Attraktivität ist nach wie vor hoch. Wir haben eine der besten Gesetzgebungen. Die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes ist aber vor allem auch eine Frage der Qualifizierung des Personals. Wir müssen die besten Dienstleistungen haben und dürfen nicht zu teuer sein. Die Auswahl an internationalen Finanzplätzen in der Welt ist groß. Luxemburg ist innerhalb Europas der internationalste Finanzplatz. Wo Gesetze notwendig sind, wird die Regierung tätig werden.

Luxemburger Wort: Gibt es konkrete Gesetzesplanungen?

Luc Frieden: In den vergangenen zehn Jahren sind eine ganze Reihe von Gesetzen auf den Weg gebracht worden. Es ist also nicht unbedingt notwendig, neue Gesetze zu erlassen. Vielmehr muss der bestehende Rechtsrahmen genutzt werden. Luxemburg hat weltweit mit die beste Gesetzgebung im Hinblick auf den Finanzplatz.

Luxemburger Wort: Haben Sie Verständnis für die Klagen über die geplanten Maßnahmen der Regierung zur Bewältigung der Krise (Krisensteuer, Solidaritätssteuer, Unfallversicherung, Index)?

Luc Frieden: Nein, dafür habe ich kein Verständnis. Als Finanzminister dieses Landes ist es meine ständige Sorge, dass das Steuerumfeld attraktiver bleibt als in den Nachbarländern. Ich kenne kein Land in der EU, dessen Steuersatz für Privatpersonen unter dem von 39 Prozent liegt. Ich kenne auch wenige Länder, in dem die Gesellschaftssteuer auf unserem Niveau liegt. Wir haben gut aufgepasst, diesen Status quo nicht zu verändern. Daher wurde auch keine Banken- oder Transaktionssteuer außerhalb des europäischen Kontextes eingeführt. Luxemburg ist steuerpolitisch im Vergleich zu anderen Ländern gut positioniert.

Luxemburger Wort: Wie ist es mit dem Index?

Luc Frieden: In dieser Frage habe ich durchaus Verständnis für die Reaktionen. Die Diskussion über die Wettbewerbsfähigkeit ist nicht abgeschlossen. Ende des Jahres werden Regierung und Parlament ihre Schlussfolgerungen vorlegen.

Luxemburger Wort: Mit der Entwicklung von Nischenaktivitäten soll das Finanzgeschäft diversifiziert werden. Welches Potenzial haben Mikrofinanz oder Islamic Finance?

Luc Frieden: Wir leisten einen enormen Kraftaufwand, überall in der Welt neue Kunden für den Finanzplatz zu gewinnen. Ein Finanzplatz benötigt Spezialitäten, um sein Angebot zu erweitern. Die großen Pfeiler sind das Private Banking und das Fondsgeschäft. Innerhalb dieser zwei Pfeiler müssen wir die Rahmenbedingungen ständig optimieren. Mikrofinanz, Islamic Finance oder Philantrophie sowie neue Märkte und neue Kunden verstärken den Finanzplatz. Wenn wir mit Hilfe dieser Diversifikationspolitik neue Kunden anziehen statt die Vergangenheit zu verteidigen, dann hat der Finanzplatz eine große Zukunft.

Luxemburger Wort: Die OECD hat eine Reform der Einlagensicherung empfohlen. Gibt es dazu konkrete Pläne? Wie sehen die aus?

Luc Frieden: Die Einlagensicherung in Luxemburg hat in der Krise gut funktioniert. Die AGDL ist ihrer Rolle vollends gerecht geworden. Wir wollen innerhalb der EU das System weiter verbessern. Es kommt eine neue Direktive der EU-Kommission. In Luxemburg wird daraufhin die AGDL durch einen Fonds ersetzt, in den alle Akteure einbezahlen und der wie in den anderen EU-Ländern Einlagen bis 100 000 Euro sichert.

Luxemburger Wort: Sie haben ein "Haut Comite de la place financiere" ins Leben gerufen? Welche Rolle spielt dieses Gremium? Was ist aus dem Codeplafi geworden?

Luc Frieden: Das "Haut Comite de la place financiere" ersetzt den Codeplafi. Das neue Gremium trifft sich unter meiner Präsidentschaft regelmäßig und hat als Hauptaufgabe, die Strategie für den Finanzplatz weiterzuentwickeln. Viele der hier angesprochenen Themen werden dort diskutiert. Es geht darum, den Finanzplatz auf die kommenden 20 Jahre vorzubereiten.

Luxemburger Wort: Ein wichtiger Partner dabei ist die ABBL. Der Verband hat einen neuen Präsidenten. Was erwarten Sie sich von Ernst-Wilhelm Contzen?

Luc Frieden: Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Präsident Ernst-Wilhelm Contzen und Vizepräsident Carlo Thill. Ich erwarte, dass ich mit ihnen einen konstruktiven Dialog führen kann über einen Finanzplatz, der sich in der Krise und auch weiterhin substantiell verändert. Es geht darum, den Finanzplatz gemeinsam zu stärken.

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