"Ich bin in der Offensive". Le ministre des Finances Luc Frieden au sujet de la fiscalité

D'Land: Herr Minister, neues Jahr, alte Sorgen. Seit Monaten kämpfen Sie für den Erhalt des Bankgeheimnisses. Glauben Sie wirklich noch daran, dass das Bankgeheimnis auf Dauer Bestand haben kann ? 1

Luc Frieden: Ich glaube zu allererst einmal, dass der Luxemburger Finanzplatz nicht allein auf das Bankgeheimnis reduziert werden kann. Zweitens bin ich der Meinung, dass das Bankgeheimnis als Schutzinstrument der Privatsphäre im Rahmen eines angemessenen Datenschutzes eine Zukunft hat. Ein Bankgeheimnis als Schutzschild für Steuersünder und andere illegale Machenschaften hingegen darf es nicht geben.

D'Land: Werden wir konkreter: Hat die Quellensteuer im Rahmen der Zinsbesteuerung noch eine Zukunft ?

Luc Frieden: Für Luxemburg ist es wichtig, die internationalen Spielregeln einzuhalten sowie das, was die Europäische Union im Rahmen der G-20 entscheidet. Deswegen sollten wir innerhalb der EU nun keine neuen, anderen Regeln anwenden, als beim G-20-Treffen beschlossen. Ich bin der Meinung, dass man die Zinsbesteuerungsdirektive den G-20-Beschlüssen anpassen muss. Wenn wir innerhalb der EU mehr unternehmen als das (anstelle des Austausches auf Anfrage den automatischen Datenaustausch von Steuerinformationen einzuführen, Anmerkung der Redaktion), würde dies zur Kapitalflucht aus Europa führen. Das wäre weder gut für Europa, noch für Luxemburg.

D'Land: Sie haben die Hoffnung also nicht aufgegeben. Dabei ging in der Finanzwelt in den vergangenen Wochen das Gerücht um, Sie hätten bei verschiedenen Anlässen gesagt, das Bankgeheimnis werde verschwinden. Das stimmt also nicht?

Luc Frieden: Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt und ich wiederhole das, dass ich der Meinung bin, ein starkes Finanzzentrum müsse auch ohne Bankgeheimnis funktionieren. Deswegen muss man sich heute darauf vorbereiten, dass das dann auch der Fall ist, falls ein G-20-Gipfel morgen entscheidet, dass es weltweit - oder zumindest in den seriösen Finanzzentren - kein Bankgeheimnis mehr gibt.

D'Land: Sie sagten zudem, die Zinsbesteuerungsdirektive solle den G-20-Beschlüssen entsprechend reformiert werden, damit die europäischen Finanzzentren gegenüber jenen in Drittstaaten nicht das Nachsehen haben. Diese ungleiche Behandlung, nämlich dass Luxemburg, Österreich und Belgien zum automatischen Informationsaustausch übergehen müssen, wenn die Schweiz, Liechtenstein usw., auf Anfrage Daten vermitteln, die war aber doch bereits in der Zinsbesteuerungsdirektive von 2003 vorgesehen. Damals störte das keinen.

Luc Frieden: Der wesentliche Unterschied ist, dass 2003 kein G-20-Gipfel stattfand. Damals sagte jeder: Der automatische Austausch - das ist die Zukunft. Jetzt, beim G-20-Gipfel, haben die damaligen Verfechter des automatischen Austausches diese Zielvorgabe aber nicht umgesetzt. Dabei hatte ausgerechnet Großbritannien den Vorsitz und hätte gemeinsam mit Frankreich und anderen durchsetzen können, dass der automatische Informationsaustausch in den Gipfelschlussfolgerungen festgehalten wird. Dort wurde aber der Austausch von Steuerinformationen auf Anfrage als Standard festgelegt und dem muss die Direktive Rechnung tragen. Wäre der Gipfel zu einem anderen Resultat gekommen, wäre der automatische Austausch der Standard, dann würde dieser auch für Luxemburg gelten. Das ist momentan nicht der Fall, und ich bestehe auf gleichen Wettbewerbsbedingungen inner- und außerhalb der EU.

D'Land: Mit Verlaub, das kann doch keine neue Erkenntnis sein. In der Direktive von 2003 steht klar, wenn die darin genannten Drittstaaten auf Anfrage Daten aushändigen, müssen alle EU-Länder zum Automatismus übergehen. Luxemburg hat diesen ungleichen Wettbewerbsbedingungen 2003 zugestimmt.

Luc Frieden: In der Richtlinie steht noch sehr viel mehr als das. Nämlich dass das Mandat, das der EU-Kommission erlauben soll, entsprechende Verhandlungen mit den Drittstaaten aufzunehmen, vom Ministerrat einstimmig beschlossen werden muss. Und da steht auch, dass dies alles unter Berücksichtigung der internationalen Entwicklung passieren soll.

D'Land: Am Prinzip der ungleichen Bedingungen ändert das nichts.

Luc Frieden: Fakt bleibt, dass wir damals dachten, der automatische Informationsaustausch werde sich als internationaler Standard durchsetzen und wir dann ein anderes Szenario hätten. Mittlerweile ist Fakt, dass der G-20-Gipfel sich für den Austausch auf Anfrage entschieden hat und das ist auch OECD-Standard, nicht der automatische Austausch.

D'Land: Tatsache ist aber auch, dass Sie in den vergangenen Monaten in der Defensive waren und es Ihre Strategie war, in Brüssel die von der Kommission vorgeschlagene Reform der Zinsbesteuerungsdirektive abzulehnen. Inzwischen hört man sogar aus der Finanzbranche immer deutlichere Kritik an dieser Haltung, weil durch die andauernde internationale Debatte das Image des Luxemburger Finanzzentrums Schaden genommen habe. Sogar Ihr Parteikollege, Staatsminister Jean-Claude Juncker, räumte vergangenen Frühling auf einer Wahlveranstaltung Fehler ein und sagte, man hätte sich viel früher in die Debatte einschalten müssen. Wie bewerten Sie selbst die seit dem Liechtenstein-Skandal vom Februar 2008 von Luxemburg verfolgte Strategie?

Luc Frieden: Ich fühle mich nicht in der Defensive, sondern bin offensiv in meinem Einsatz für international einheitliche Regeln. Seit Jahren ist es meine Strategie, dass Luxemburg als starkes internationales Finanzzentrum internationale Regeln anwenden muss. Deswegen war es die Strategie der Luxemburger Regierung seit März 2009 - noch vor dem G-20-Gipfel - zu sagen: Wenn sich die Regeln in den anderen internationalen Finanzzentren ändern, dann müssen wir dies auch tun. Das ist eine Strategie offensiver Politik. Zweitens wünsche ich mir in Steuersachen mehr Europa. Ich bin dafür, dass nationale Regeln auch EU-weit gelten. Wenn man in Deutschland eine Abgeltungssteuer von 25 Prozent hat, wohlgemerkt ohne internen automatischen Informationsaustausch, dann kann es nicht angehen, dass ein Deutscher, der sein Geld in Luxemburg oder der Schweiz anlegt, 35 Prozent zahlen muss und das mit automatischem Austausch...

D'Land: Auch das ist eine Konsequenz der Zinsbesteuerungsdirektive von 2003, allein sie zwingt Luxemburg den Quellensteuersatz von 35 Prozent auf...

Luc Frieden: Wir brauchen überhaupt sehr viel ehrgeizigere Ziele für die steuerliche Harmonisierung in der EU, beispielsweise Mindeststeuersätze und -regeln in der Betriebsbesteuerung, sowie bei der Mehrwertsteuer. Deswegen wünsche ich mir eine generelle europäische Debatte über Steuerpolitik. Dafür setze ich mich in Europa ein. Auch für einen besser funktionierenden Binnenmarkt der Finanzdienstleistungen. Andere Länder wollen hingegen lediglich ihren Heimatmarkt stärken.

D'Land: Wie kommen Sie zu der Einschätzung?

Luc Frieden: Die rezenten Attacken auf Luxemburg haben ihren Ursprung vor allem in den enormen Haushaltslöchern einiger EU-Länder. Es wird so dargestellt, als würde es im eigenen Land kein Defizit geben, wenn die Leute ihr Geld nur in ihrem Residenzland anlegen würden. Man muss eine sachliche Debatte führen. Und Luxemburg wird, ohne zu zögern, auf den Zug einer pro-europäischen Politik aufspringen. Aber nicht auf den, der in Richtung Renationalisierung der Märkte und Stärkung der asiatischen Zentren fährt.

D'Land: Die Debatte tobt doch nicht erst, seit die Nachbarländer akute Haushaüsprobleme haben. Sie sagen selbst, beim G-20 im April 2009 gab es nur eine Einigung auf den Informationsaustausch auf Anfrage. Dort stand das Bankgeheimnis also nicht unter Beschuss. Die Gefahr droht doch auf EU-Ebene, wo die Zinsbesteuerungsdirektive reformiert werden soll, und diese Reform lief bereits nach dem Liechtenstein-Skandal an. Sehen Sie das nicht so?

Luc Frieden: Nein. Ich finde die Diskussion um die Steuerparadiese populistisch. Luxemburg war nie und ist auch jetzt nach der Definition der OECD kein Steuerparadies. Genau diese Diskussion entstand vor den G-20-Gipfeln und im Kontext der Wirtschafts- und Finanzkrise. Und die Wortführer des Gipfels haben dort eine andere Sprache gesprochen, als sie das auf EU-Ebene tun. Das kritisiere ich. Die generelle Debatte darum, wie man am besten Steuerbetrug bekämpft, ist eine andere Diskussion, das stimmt. Die wird aber noch die nächsten hundert Jahre andauern, weil es immer Leute geben wird, die sich vor Steuern drücken wollen.

D'Land: An der aktuellen Diskussionslage innerhalb der EU ändert das nichts. Wie wollen Sie denn nun die anderen 25 EU-Länder davon überzeugen, vom automatischen Datenaustausch abzulassen und zu den OECD-Standards überzugehen ?

Luc Frieden: Ich stelle sie vor ihre Verantwortung, indem ich sie frage, weshalb sie eine Delokalisierung des Kapitals aus Europa in Richtung Drittstaaten organisieren wollen und weshalb sie im Rahmen der G-20-Gruppe den automatischen Informationsaustausch nicht beschlossen haben.

D'Land: Die kritischen Stimmen aus der Branche, die meinen, dass der ganzen Debatte und den damit verbundenen Negativschlagzeilen so bald wie möglich ein Ende gesetzt werden müsse - notfalls indem Luxemburg in Brüssel den Rückzug antritt - die dringen also nicht bis zu Ihnen durch ?

Luc Frieden: Das ist ja genau meine Meinung. Luxemburg ist meiner Ansicht nach ein dermaßen internationales, hoch entwickeltes, gut reglementiertes, stabiles Finanzzentrum, dass man es keinesfalls auf das Bankgeheimnis reduzieren kann. Tausende Kunden kommen nach Luxemburg, weil sie hier einen Service und Produkte finden, die sie in ihren Heimatländern vergeblich suchen. Auch ohne Bankgeheimnis wird es Private-Banking-Aktivitäten geben. Aber, ich betone, das geht nur, wenn die anderen Zentren die gleichen Regeln anwenden. Wenn die Privatsphäre in Drittstaaten besser geschützt wird als hier, dieser Schutz folglich nur hier in Luxemburg aufgehoben würde, dann bliebe das Luxemburger Finanzzentrum zwar stark, aber das wäre zugleich ein Problem. Es liegt auf der Hand, dass die Leute, die ihre Privatsphäre besser schützen wollen, dann abwandern. Das wird nur wenige Stunden dauern, Kapitaltransfers sind heute sehr schnell.

D'Land: Und dieses Kapital, das dann innerhalb von wenigen Stunden abgezogen würde, ist unbedenklichen Ursprungs, also "sauber"?

Luc Frieden: Das kann ich nicht beurteilen. Wir brauchen Regeln, die dafür sorgen, dass es nur noch "sauberes" Geld gibt. Mit einer auf allen Produkten erhobenen europäischen Abgeltungssteuer von 25 Prozent, die zum Teil an das Heimatland zurückerstattet würde, wäre das zu erreichen. Dann gäbe es in Europa kein Schwarzgeld mehr.

D'Land: Welche Auswirkung hätte denn diese Kapitalflucht auf den Luxemburger Arbeitsmarkt? Auch in Ihrer Partei gibt es Leute, die befürchten, bis zu 6 000 Bankbeschäftigte könnten ihren Job verlieren. Teilen Sie diese Einschätzung?

Luc Frieden: Ich halte das für unrealistisch. Das wäre nur der Fall, wenn das Bankgeheimnis alleinige Grundlage aller Geschäfte des Finanzzentrums wäre. Es ist aber nur einer von vielen Faktoren - Service, Produkte, usw. -, welche die Kunden hierher locken. Außerdem ist es ungemein schwierig abzuschätzen, wie viel Kapital und wie viele Arbeitsplätze von einem der Faktoren abhängen, die den gesetzgeberischen Rahmen definieren.

D'Land: Hat Ihr Ministerium die finanziellen Auswirkungen, die eine Abschaffung des Bankgeheimnisses auf den Arbeitsmarkt hätte, einmal beziffert?

Luc Frieden: Es ist unmöglich, das zu quantifizieren. Es ist auch sehr unterschiedlich von Bank zu Bank. Einige wären sicher sehr viel stärker betroffen als andere.

D'Land: Seit der Ankündigung Luxemburgs im vergangenen März, sich den OECD-Standards zu unterwerfen, haben Sie 20 OECD-konforme Abkommen über den Austausch von Steuerdaten auf Anfrage unterzeichnet. Wann wird im Gegenzug das Gesetz vorliegen, das regelt, wie auf Anfragen aus dem Ausland reagiert wird?

Luc Frieden: Darüber entscheide nicht ich allein. Ich gehe aber davon aus, dass die Abkommen bis März vom Parlament ratifiziert werden und dass die interne Prozedur bis dahin steht. Die Abkommen müssen natürlich auch von den Vertragspartnern ratifiziert werden. Bisher sind das nur zwei oder drei.

D'Land: Nun ist ja das Finanzzentrum nicht nur durch die Steueroasen-Debatte gebeutelt.Seit Ausbruch der Finanzkrise lichten sich die Ränge: Manche Banken sind bankrott, andere schließen ihre Dependancen in Luxemburg. Wie soll die Branche künftig die Millionen verdienen, die Sie als Finanzminister besteuern wollen? Welche Strategie verfolgen Sie diesbezüglich ?

Luc Frieden: Die Regierung ist für ein stark diversifiziertes Finanzzentrum. Die Zukunftsstrategie basiert auf einem adäquaten, nicht ständig ändernden juristischen und fiskalischen Rahmen, der - falls nötig - modernisiert wird, sowie einer breiten Palette international ausgerichteter Produkte. Ich fahre seit elf Jahren als zuständiger Minister mit dieser Strategie. Allein in den vergangenen fünf Jahren haben wir so 12 000 Arbeitsplätze in der Finanzbranche geschaffen.

D'Land: Welche Geschäftszweige sollen die Zukunft der Branche sichern ?

Luc Frieden: Unser Finanzzentrum steht auf mehreren Säulen. Das ist und bleibt einerseits die Vermögensverwaltung, und dazu zählt die Fondsindustrie. Hinzu kommen Nebenaktivitäten wie die Börse, das Clearing und Settlement, aber auch die Mikrofinanz und Philanthropie, welche die Palette der angeboten Produkte und Dienstleistungen vervollständigen. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir uns traditionell vielleicht zu sehr auf den europäischen Markt beschränkt haben, was die Anwerbung von Kunden betrifft. Die globalisierte Welt verlangt, dass wir uns verstärkt auf Asien, die Golfstaaten und Lateinamerika konzentrieren, weil wir dort neue Möglichkeiten sehen. Ich habe eine erfolgreiche Mission nach Asien geleitet und reise nächste Woche wieder in die Golfstaaten. Die internationale Dimension im Produktvertrieb, kombiniert mit einer guten Kommunikationsstrategie, muss vertieft werden.

D'Land: Woran messen Sie den Erfolg einer Mission?

Luc Frieden: Ich messe das an der Anzahl und dem Niveau der Teilnehmer unserer Seminare und unserem Marktanteil in diesen Märkten. In Hongkong sind wir beispielsweise Marktführer bei den internationalen Fonds, und dieser Anteil stieg in den vergangenen Jahren weiter an. Die Strategie war also richtig. Luxemburg kann andere Finanzzentren nicht ersetzen. Aber Luxemburg hat seinen Kunden Stabilität und Sicherheit zu bieten, was auch in den Golfstaaten ein wichtiges Element ist. Außerdem ist Luxemburg Mitglied der EU und des Schengenraums, die Schweiz und Großbritannien jeweils nicht. Wir stellen zunehmend fest, dass die Anleger ihr Geld nicht nur einem Land anlegen, und in der Reihe der Zentren, die sie auswählen, gibt es einen Platz für Luxemburg.

D'Land: Wer ist außer Ihnen noch an der Strategieplanung beteiligt? Wie man hört, hat das Comite de pilotage de la place financiere (Codeplafi) seit der Pensionierung seines Vorsitzenden Jean-Nicolos Schaus - also mitten in der Krise - nicht mehr getagt.

Luc Frieden: Ich habe der Branche angekündigt, dass ich ein neues Beratungsgremium als Ersatz für das Codeplafi einberufen werde. Das Problem ist, dass sich mehr als hundert Branchenakteure gemeldet haben, die dort vertreten sein wollen. Fast jeder Bankier, jeder Anwalt und jeder Buchhalter möchte Mitglied werden. Ich meine aber, das Gremium sollte effizient sein. Deswegen werde ich im Februar ein neues Organ schaffen, ein Haut comité de la place financiere, dem ich selbst vorsitzen werde. Dort werden die Verantwortlichen der einzelnen Berufsorganisationen mit mir tagen. Die anderen werde ich in Untergruppen des Haut comité unterbringen, um von dort die guten Ideen nach oben zu kanalisieren: Es wird beispielsweise ein spezielles Komitee für Finanzrecht geben, wo die großen Anwaltskanzleien zusammenkommen, weil das Haut comité sonst zu groß wird. Das Codeplafi hat gute Arbeit geleistet, in der neuen Legislaturperiode wollen wir es noch besser machen. Der neue Direktor der CSSF, Jean Guill, und ich sind uns einig, das dies eher ein politisches Organ ist und nicht unter der Führung der Finanzaufsicht stehen sollte, auch wenn Herr Guill darin vertreten sein wird.

D'Land: Sie wollen selbst Präsident sein ?

Luc Frieden: Ja!

D'Land: Ohne Ihre Energie, Ihren Arbeitseifer und Ihre Kompetenz in Abrede stellen zu wollen: Sie tragen als Finanzminister derzeit schon eine sehr große Verantwortung und sind außerdem Präsident von Luxembourg for Finance. Können Sie das wirklich alles bewältigen ?

Luc Frieden: Ja! Denn der Tag hat 24 Stunden. Außerdem hängt alles eng zusammen. Ich habe nicht nur eine Strategie, sondern auch sehr viel Energie für die Finanzbranche. Sie ist der wichtigste Wirtschaftszweig Luxemburgs, von ihr hängen die Staatsfinanzen im großen Maße ab. Das ist vielleicht auch eine der Ursachen, weshalb ich in dieser Legislaturperiode außer dem Finanzportfolio keine zusätzlichen Ministerkompetenzen erhalten habe. Damit ich mich zu hundert Prozent auf die Staatsfinanzen, das Finanzzentrum und die Steuerpolitik konzentrieren kann.

1 Die Zinsbesteuerungsrichtlinie von 2003 ist 2005 in Kraft getreten und erlaubt es Luxemburg, Belgien und Österreich während einer Obergangsphase eine Quellensteuer auf Zinserträgen zu erheben, bis die darin genannten Drittstaaten (Schweiz, Liechtenstein, Monace, etc.) dem Austausch von Steuerinformationen auf Anfrage entsprechend dem OECD-Standard zustimmen und die EU - auf einstimmigen Beschluss des Ministerrates hin - Abkommen über den Datenaustausch mit diesen Drittstaaten verhandelt. Dann müssen alle EU-Länder zum automatischen Steuerinformationsaustausch übergehen. Der (Liechtenstein)-Skandal um die Schwarzgeldkonten des ehemaligen Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel kam im Februar 2008 ans Tageslicht. Daraufhin leitete die EU-Kommission auf Drängen Deutschlands die Reform der Zinsbesteuerungsrichtlinie ein. Im März 2009, also ein Jahr später, erstellte die OECD eine neue Liste der in Steuersachen nicht kooperativen Territorien, auf der Luxemburg in der grauen Partie eingestuft wurde. Ebenfalls im März bekannte sich Luxemburg zu den OECD-Standards. Am 2. April fand in London unter britischem Vorsitz der G-20-Gipfel statt, bei dem die OECD-Liste ebensowie die OECD-Standards angenommen wurden.

Dernière mise à jour