Interview de Pierre Gramegna avec le Salzburger Nachrichten

"Wir können damit leben, dass Europa bei den Rulings Vorreiter ist"

Interview: Salzburger Nachrichten

Salzburger Nachrichten: Die Finanzminister der EU-Länder sind nicht primär für die aktuelle Flüchtlingsfrage zuständig. Dennoch werden, so viel steht nun fest, die Herausforderungen durch den Flüchtlingsstrom die Haushalte der Länder stärker belasten. Was ist aus der Sicht der Finanzminister zu tun?

Pierre Gramegna: Es ist klar, wenn Tausende und Abertausende Flüchtlinge nah Europa kommen, dann belastet dies die Haushalte. Wir deutschsprachigen Finanzminister haben uns in Salzburg darüber ausgetauscht, wie wir das bewältigen können und ob die unvorhersehbaren Kosten von der Kommission flexibler gehandhabt werden könnten. Diese Frage muss man stellen. Man könnte das auch anders beleuchten und sagen, wir halten uns an die Stabilitäts- und Wachstumsregeln des Paktes, aber wenn Unvorhersehbares kommt, dann muss man sich anpassen können. Jeder ist sich bewusst, dass Politik und Regieren damit zu tun hat, dass man sich Dringlichkeitsfragen annehmen muss, und nicht sagt, dafür gibt es unter keinen Umständen Geld. Man muss dann aber vielleicht die Prioritäten ändern.

Salzburger Nachrichten: Haben Sie konkrete Vorschläge dazu, wie mehr Flexibilität in der Haushaltspolitik ausschauen könnte?

Pierre Gramegna: Nein, aber wir wollten das Thema einmal ausflaggen.

Salzburger Nachrichten: Ihr Land gilt seit dem LuxLeaks-Skandal um Steuerdumping als Steueroase für Unternehmen in der EU. Glauben Sie, dass es bis zum Ende des luxemburgischen Ratsvorsitzes eine EU-weite Einigung zu den Rulings, also Absprachen der Steuerbehörden mit Unternehmen, geben wird? Wo spießt es sich?

Pierre Gramegna: Wir setzen alles daran, das Ziel bis Ende dieses Jahres zu erreichen. Zuletzt ist bei dem Thema eine Dynamik entstanden. Das Problem dabei ist, dass ein Ruling in Frankreich völlig anders funktioniert als ein Ruling in Luxemburg oder in Deutschland. Es gibt auch Rulings, die etwas vorsehen, das gegen ein Gesetz verstößt, allerdings gibt es so etwas nicht in Luxemburg. In verschiedenen Ländern ist ein Ruling eine Vereinbarung zwischen dem Steuerzahler und der Verwaltung, in Luxemburg ist es eine einseitige Entscheidung der Steuerverwaltung, gegen die man auch nicht klagen kann.

Salzburger Nachrichten: Dies ist alles sehr kompliziert. Wie will man da mehr Transparenz erreichen?

Pierre Gramegna: Durch Austausch. 26 von 28 EU-Ländern haben Rulings. Das Gute ist, dass es auf internationaler Ebene die BEPS-Diskussion gibt (den Aktionsplan der OECD gegen "Base Erosion and Profit Shifting", also das Aushöhlen der Bemessungsgrundlagen und die Gewinnverlagerung, Anm.). Damit bekommen wir neue Maßstäbe für Steuerprinzipien. Das wird uns helfen, bei Rulings eine Harmonisierung zu erlangen.

Salzburger Nachrichten: Heißt das, es wird in Zukunft steuerliche Mindestsätze und Regeln geben, wie Rulings in der EU ausschauen sollen?

Pierre Gramegna: Zuerst gibt es den Austausch über Rulings, dann schauen wir, wie wir BEPS umsetzen.

Salzburger Nachrichten: Europäische Länder haben Angst, mit mehr Transparenz und Fairness in Steuerfragen im weltweiten Wettbewerb zurückzufallen. Sie auch?

Pierre Gramegna: Wir brauchen ein vergleichbares Spielfeld. Wir sagen aber nicht, bevor sich nicht die ganze Welt bewegt, bewegen wir uns auch nicht. Wir können damit leben, dass Europa bei den Rulings Vorreiter ist. Man muss nur sicherstellen, dass wir das in Europa nicht zehn Jahre spielen und der Rest der Welt zuschaut. Da muss man aufpassen.

Salzburger Nachrichten: Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat gesagt, beim Thema Steuern sei die Welt eine andere geworden. Stimmen Sie dem zu?

Pierre Gramegna: Wenn mir vor drei Jahren jemand gesagt hätte, die BEPS-Initiative wird jetzt abgeschlossen, hätte ich das nie geglaubt. Denn viel weniger spektakuläre Steuerthemen sind in den vergangenen Jahrzehnten im Sand versickert. Wir haben ein internationales Steuerregelwerk, das 70, 80 Jahre alt ist. Doch plötzlich sieht man, dass der Bedarf der Änderung so groß ist, dass man sich auf der Ebene der G2O und der OECD einig geworden ist.

Salzburger Nachrichten: Warum jetzt?

Pierre Gramegna: Die Weltwirtschaftskrise 2008 hat allen Ländern Einnahmeschwierigkeiten beschert. Zudem hat die Modernisierung der Wirtschaft bedeutet, dass Unternehmen der Zeit voraus sind und das alte Regelwerk nicht mehr passt. Man sieht das sehr gut bei der digitalen Technologiewirtschaft, aber auch in der traditionellen Wirtschaft, in der es eine Art Wettlauf nach Minimum-Besteuerung seitens der Unternehmen gibt. Das ist so weit gegangen, dass die Bevölkerung und Regierungen sagen, das wollen wir nicht. Wir wollen ein Umfeld, in dem jeder seinen Teil der Steuerlast trägt. Es geht nicht, dass Großunternehmen an allem vorbeigehen können. Wir haben nicht Doppelbesteuerungsabkommen in der Welt, damit Unternehmen dann nirgends besteuert werden.

Salzburger Nachrichten: Sehen Sie das Umdenken auch bei Unternehmen wie Amazon oder Google?

Pierre Gramegna: Ich habe viele große Unternehmen in Luxemburg gesehen, die sagen, wir wollen nicht mehr in eine Lage kommen, in der wir so geringe Steuern zahlen, dass wir ein Imageproblem bekommen. Man sieht diesen Gesinnungswandel. Die Unternehmen wollen natürlich nicht 40 oder 50 Prozent Steuern zahlen, das ist zu viel. Aber sie können mit einer Besteuerung leben, die höher als einstellig ist, und sie wollen internationale Regeln, die ihnen Sicherheit geben und für die sie nicht von außen kritisiert werden.

Salzburger Nachrichten: Hat der LuxLeaks-Skandal Luxemburg geschadet?

Pierre Gramegna: Mittelfristig wenig. Es hat sich alles relativiert. Wir hatten letztes Jahr ein gutes Wachstum und werden auch dieses Jahr ein gutes haben. Obwohl wir bei den Rulings Gesetze geändert haben. Das Resultat, dass durch das Kombinieren von nationalen mit internationalen Regeln eine Firma gar keine Steuern mehr bezahlt, mag legal sein, es ist aber ethisch nicht in Ordnung. Dieser Sinneswandel ist klar zu spüren. Darauf stellen wir uns ein, und das geschieht schrittweise.

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