Luc Frieden au sujet de la place financière luxembourgeoise

Luxemburger Wort: Wie würden Sie Ihr derzeitiges Verhältnis zum Finanzplatz und seinen Akteuren bezeichnen? Einige Ihrer Entscheidungen in den letzten Monaten haben den Eindruck erweckt, dass Sie unvorhersehbarer handeln als gewohnt?

Luc Frieden: Das Verhältnis ist ausgezeichnet. Regieren findet nicht in der Theorie statt, sondern durch Zuhören. Politische Entscheidungen werden aufgrund von Konsultationen getroffen. Ich führe viele Gespräche - im "Haut comit pour la place financire" und bei zahlreichen bilateralen Kontakten, nicht nur mit den Verantwortlichen der Luxemburger Banken, sondern auch mit denen ihrer Mutterhäuser. Danach treffe ich meine Entscheidung, wobei ich mich von zwei Prinzipien leiten lasse: Die Entscheidung muss im Interesse der langfristigen Entwicklung des Finanzplatzes sein, und sie muss im allgemeinen Interesse sein. Meistens sind beide deckungsgleich.

Luxemburger Wort: Wie soll es mit "Luxembourg for Finance" weitergehen? Welche Botschaft wird die Agentur verkünden?

Luc Frieden: Werbung und Darstellung im Ausland ist eines der Schlüsselelemente der langfristigen Entwicklung des Finanzplatzes. Sowohl auf neuen wie auch auf bestehenden Märkten müssen wir immer wieder erklären, was wir sind, und was wir anbieten können. "Luxembourg for Finance" bleibt eine Kooperation zwischen Staat und Privatsektor. Indem ein Staatsbeamter und Diplomat Chef dieser Agentur wird, möchte ich unterstreichen, dass die Botschaft und die Ausrichtung vom Staat festgelegt wird - nach Konsultationen mit den Akteuren des Privatsektors. Die Botschaft ist die eines sicheren und stabilen Finanzplatzes, mit internationalem Know-how, und wo Professionalismus vorherrscht.

Luxemburger Wort: Die Neuigkeit, dass Sie sich nicht mehr gegen den automatischen Informationsaustausch sträuben, er fuhren die Luxemburger aus der Auslandspresse. Haben Sie diese weitreichende Entscheidung richtig mitgeteilt?

Luc Frieden: Jeder, der in den letzten Jahren zuhörte, wusste, dass Änderungen bevorstünden. Zwei Gründe bewirkten bei der Luxemburger Regierung ein Umdenken: Da ist zum einen die absolute Notwendigkeit, das Fatca-Abkommen mit den USA abzuschließen. Amerika ist ein vitaler Markt und Partner für den Finanzplatz Luxemburg. Zum anderen hat das Scheitern der Verhandlungen zwischen Deutschland und der Schweiz über ein Quellensteuermodell gezeigt, dass auf Dauer kein Weg am automatischen Informationsaustausch vorbeiführt. Wir brauchen einen internationalen Finanzplatz, und dieser braucht Partner. Wir müssen daher die gleichen Regeln wie diese Partner anwenden, auch wenn wir selbst nach wie vor das Quellensteuermodell für wirkungsvoller halten. Die langfristige Perspektive im Blick, haben wir - nach zahlreichen Gesprächen mit Akteuren des Finanzplatzes - unseren Richtungswechsel beschlossen.

Luxemburger Wort: Der Übergang zum automatischen Informationsaustausch am 1. Januar 2015 sorgt für Beunruhigung: Kunden mit kleineren Guthaben leeren ihre Konten. Für einige Banken wird der Standort uninteressant. Haben Sie mit diesen Reaktionen und Konsequenzen gerechnet?

Luc Frieden: Es war keine einfache politische Entscheidung, die wir treffen mussten. Sie bedingt größere Veränderungen, die nicht einfach zu bewältigen sind. Ich bin aber überzeugt, dass manchmal tiefgreifende strukturelle Reformen notwendig sind, auch wenn sie wehtun. Einige Kunden, die jetzt weggehen, haben nicht im Einklang mit den Gesetzen ihres Heimatlandes gehandelt. Das ist kein Modell, auf dem wir die Zukunft des Finanzplatzes aufbauen können. Kurzfristig habe ich mir diese Reaktionen erwartet - ich kann sie nachvollziehen. Langfristig aber steht außer Frage, dass ein internationales Private Banking für Kunden, die eine grenzüberschreitende Vermögensverwaltung brauchen, in Luxemburg eine Zukunft hat. Das verlangt, dass die Banken sich umstellen - viele haben das schon getan, andere stehen noch davor.

Luxemburger Wort: Bei der CSSF gibt es etwa 20 Anträge für ein "Agrment" seitens Banken, die nicht aus der EU stammen. Ist das ein Zeichen, dass der Umbau am Finanzplatz gelingt?

Luc Frieden: Unser Finanzplatz hat viele Trümpfe. Das zeigen diese Anträge auf Geschäftserlaubnis, das zeigen aber auch einige Gespräche, die ich in den letzten Tagen führte: Verantwortliche von Mutterhäusern von Luxemburger Instituten haben mir versichert, dass sie ohne den angekündigten Übergang zum automatischen Informationsaustausch nicht länger hätten ihre Aktivitäten in Luxemburg fortsetzen können. Das Reputationsrisiko war zu groß geworden. Neue Banken zeigen Interesse, aber auch bestehende können ihre Aktivitäten ausdehnen, weil die Belastung durch das negative Image weg ist. Dieses negative Image war zwar unverdient, existierte aber trotzdem.

Luxemburger Wort: Was braucht der Finanzplatz, um sich neu erfinden zu können?

Luc Frieden: Auf dem, was wir in den letzten zwanzig Jahren aufgebaut haben, können wir uns weiterentwickeln. Wir verfügen über ein ausgezeichnetes Know-how im grenzüberschreitenden Finanzgeschäft. Ich möchte jeden der Hauptpfeiler - besonders aber Private Banking und Fondsge schaft - weiter ausbauen. Dafür brauchen wir die bestmöglichen Fachkräfte. Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen, der für einen internationalen Markt einzigartig ist, und wir brauchen eine starke Unterstützung der öffentlichen Hand. In zahlreichen Ländern wird seitens der Politik "Finanzplatz-Bashing" betrieben. Wir wollen, dass sich dieser Finanzplatz weiterhin entwickeln kann als Hauptpfeiler der Luxemburger Wirtschaft.

Luxemburger Wort: Nachdem Sie sich jahrelang gegen den automatischen Informationsaustausch ausgesprochen haben, treten Sie jetzt als dessen Anhänger auf. Fürchten Sie nicht um Ihre Glaubwürdigkeit?

Luc Frieden: Ich bin noch immer überzeugt, dass das Quellensteuermodell am wirkungsvollsten ist. Wenn ich jetzt das System des automatischen Informationsaustauschs offensiv vertrete, tue ich das nur, weil ich nicht will, dass Luxemburg allein dasteht. Es ist für uns von enormer Wichtigkeit, dass dies der globale Standard wird. Mit Genugtuung stelle ich fest, dass auch Singapur und Osterreich das OECD-Abkommen über die Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen unterzeichnet haben.

Luxemburger Wort: Sie haben vor kurzem die multilaterale OECD-Konvention zur Amtsbeihilfe in Steuersachen unterschrieben. Was bedeutet das in der Praxis?

Luc Frieden: Es war vor allem eine wichtige politische Erklärung. Luxemburg signalisierte, dass es den automatischen Informationsaustausch als Standard akzeptiert, verlangt aber, dass dieser Standard sich weltweit durchsetzt, und nicht nur in der EU. Wir wollen jetzt die weiteren Verhandlungen zwischen der EU und den Drittstaaten abwarten. Außerdem wollen wir das Fatca-Abkommen mit den USA bis Ende des Jahres unter Dach und Fach bringen. Erst danach wollen wir entscheiden, mit welchen Ländern wir Verträge nach dem OECD-Rahmenabkommen abschließen.

Luxemburger Wort: Luxemburg hat sich in den Fatca-Verhandlungen mit den USA für das Modell 1 entschieden. Ist die Steuerverwaltung für diese Aufgabe gerüstet?

Luc Frieden: Das Modell 1 bedeutet, dass der Informationsaustausch zwischen den Steuerverwaltungen stattfinden wird, und nicht wie bei Modell 2 zwischen Banken und US-Steuerverwaltung. Es ist daher von größter Wichtigkeit, dass die Computersysteme bei der Steuerverwaltung in den nächsten Monaten bis zum Abschluss der Verhandlungen weiterentwickelt werden. Diese Ausbauarbeiten haben begonnen, sind aber noch nicht abgeschlossen.

Luxemburger Wort: Bis zum Herbst sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein. Was sind die wichtigen Punkte? Wird der IRS auch Daten an Luxemburg liefern?

Luc Frieden: Das Prinzip von Fatca können wir nicht in Frage stellen, es gibt aber zahlreiche Details zu klären. Es geht darum, festzulegen, welche Daten zu welchem Zeitpunkt geliefert werden müssen. Die USA werden auch Daten an uns liefern - das ist aber nicht unser wichtigstes Anliegen.

Luxemburger Wort: Die Luxemburger Finanzgesellschaften sind demnach von der Pflicht entbunden, direkt mit der amerikanischen Steuerbehörde in Kontakt zu treten?

Luc Frieden: So ist es. Das Modell 1 war der ausdrückliche Wunsch der Investmentfondsbranche. In der Bankenwelt gab es zwei unterschiedliche Positionen. Wir entschieden uns für das Modell 1, weil es von der überwiegenden Mehrzahl der Länder gewählt wird. Wir wollten keine Sonderregelung mit Amerika verhandeln, das hätte unserem Image geschadet.

Luxemburger Wort: Ohne den angekündigten Über gang zum automatischen Informationsaustausch wäre die Wahl doch auf das Modell 2 gefallen, so wie es auch die Schweiz gewählt hat?

Luc Frieden: Auch bei Modell 2 wäre das Risiko hoch gewesen, dass der Europäische Gerichtshof die Mitteilung von Bankdaten an die europäischen Partner verfügt hätte. Um Rechtssicherheit zu schaffen, zogen wir es vor, selber die politische Entscheidung zu treffen und das Datum festzulegen, ab wann wir bereit sind, zum automatischen Informationsaustausch überzugehen.

Luxemburger Wort: Bis zum Jahresende soll auf EU-Ebene die Entscheidung fallen, ob und wie die Zinsrichtlinie ausgedehnt wird. Ist das Einverständnis Luxemburgs an die Bedingung geknüpft, dass die Drittländer beim automatischen Informationsaustausch mitmachen?

Luc Frieden: Die Verhandlungen mit den Drittstaaten haben erst begonnen. Parallel dazu gibt es eine weitere wichtige "Baustelle": Etwa 16 Länder wollen zur gleichen Zeit ein "europäisches Fatca" ausarbeiten. Wir sollten erst abwarten, wie sich dieses Pilotprojekt entwickelt, und zu Welchem Ergebnis die Verhandlungen mit den Drittstaaten führen, ehe wir in aller Ruhe und Sachlichkeit weitere Schritte beschließen.

Luxemburger Wort: Die Besteuerung sogenannter Multis ist ein Thema, das ebenfalls ganz oben auf Ihrer Agenda steht: Doppelte Besteuerung soll vermieden werden, ohne zu keiner Besteuerung zu führen. Welche steuerlichen Anreize kann Luxemburg künftig diesen Konzernen bieten, damit sie Strukturen in Luxemburg behalten?

Luc Frieden: Wir vertreten zum einen den Standpunkt, dass die grenzüberschreitende Aufstellung multinationaler Konzerne und dass sogenannte Headquarterfunktionen auch weiterhin möglich sein müssen. Zum andern wollen wir nicht, dass es zu einer weltweiten Harmonisierung der Steuern kommt. Wir sind überzeugt, dass ein Land mit einem vernünftigen Steuerregime attraktiv bleibt. Die Steuerpolitik muss ein Element der Wettbewerbsfähigkeit beinhalten - Unternehmenssteuern können nicht in der Theorie festgelegt werden, sondern immer mit Blick auf die Sätze der Nachbarländer. Das sind die Leitlinien unserer Steuerpolitik: Wir sind für fairen Wettbewerb zwischen den Ländern, wir sind gegen die totale Harmonisierung.

Luxemburger Wort: Teilen Ihre Ministerkollegen diese Haltung?

Luc Frieden: Durch die Krise bedingt besteht die Tendenz, die grenzüberschreitende Aufstellung von Unternehmen unmöglich zu machen. Nicht die Zahl der Kunden oder die Zahl der Mitarbeiter darf ausschlaggebend für den Ort sein, an dem ein Betrieb Steuern bezahlen muss. Für Länder wie Irland, die Niederlande oder Luxemburg - alles Staaten, die Headquarterfunktionen beherbergen, steht viel auf dem Spiel. Darüber brauchen wir eine Debatte, an der Luxemburg sich aktiv beteiligen will.

Luxemburger Wort: In einer rezenten "Circulaire" der Steuerbehörde wurde das Steuerregime für "Expatriates", die im Bereich der Alternativen Fonds arbeiten, erleichtert. Wie steht es da mit dem Prinzip der Gleichbehandlung aller Bürger vor der Steuerverwaltung?

Luc Frieden: "Gleich" ist immer nur der, der sich in genau der gleichen Lage befindet. In der "Circulaire", die wir vor ein paar Jahren herausgaben und jetzt überarbeitet haben, geht es darum, die besten Fachkräfte aus dem Ausland anzuziehen. Wir brauchen deren Know-how für die künftige Entwicklung des Finanzplatzes. Durch ihren Umzug nach Luxemburg und ihre oft nur vorübergehende Verweildauer fallen für diese hochqualifizierten "Expatriates" Kosten an, die normale Bürger unseres Landes nicht haben. Diese Kosten - Umzug, Schule der Kinder, etc. - können steuerlich abgesetzt werden. Es geht darum, am "neuen" Finanzplatz die besten Mitarbeiter und die besten Produkte zu haben.

Luxemburger Wort: Demnach kein Problem mit der Gleichbehandlung?

Luc Frieden: Ich sehe keines.

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