"Stillstand ist Rückschritt", Luc Frieden au sujet des défis de la place financière luxembourgeoise

Tageblatt: Herr Minister, wie sehen Sie die Zukunft des Finanzplatzes?

Luc Frieden: Unser Land kam zu seinem Wohlstand durch seine internationale Dimension. Das gilt für den Stahl, die Medien und den Finanzplatz. Die Wachstumsstrategie, die wir in den letzten Jahren für den Finanzplatz umgesetzt haben, hat trotz der Krise dazu geführt, dass wir diese internationale Dimension noch verstärken konnten. Dafür glaube ich auch, dass der Finanzplatz in Luxemburg eine Zukunft hat, allerdings im Rahmen eines schwierigen Umfelds, das sich permanent weltweit verändert.

Tageblatt: Die internationale Ausrichtung beschränkte sich bislang allerdings größtenteils auf Europa

Luc Frieden: Stimmt. In der globalen Welt, in der wir leben, kann unser Markt nicht mehr allein die drei Nachbarländer umfassen. Deshalb müssen wir auch globaler auftreten. Die Strategie für den Finanzplatzes umfasst deshalb fünf Säulen: das Privatbanking, die Fondsindustrie, die Versicherungen, die internationale Kreditvergabe und die Strukturierung von internationalen Investitionen. Fur alle diese Säulen gilt die globale Ausrichtung. Deshalb müssen wir uns unbedingt in den Volkswirtschaften, die schneller wachsen, etwa in Asien, noch weiterentwickeln. Allerdings dürfen wir den europäischen Raum natürlich nicht vernachlässigen. Wir müssen unsere Präsenz auf den Märkten verstärken, auf denen wir noch nicht oder nur gering präsent waren.

Tageblatt: Hat diese Strategie jetzt schon Erfolge aufzuweisen?

Luc Frieden: ja. Wir ernten jetzt schon die Früchte der Arbeit, welche intensiv auf diesen Märkten betrieben wurde. Unsere Fondsindustrie hat eine international anerkannte Größe erreicht. Diese Position möchte ich noch weiter ausbauen, sowohl im Bereich der klassischen Investmentfonds als auch bei den alternativen Fonds. Dadurch werden in Luxemburg viele neue Arbeitsplätze und neue Steuereinnahmen geschaffen.

Tageblatt: Wie sehen Sie die Evolution beim Bankgeheimnis. Ist es tot?

Luc Frieden: Für internationale Kunden gibt es seit 2009 kein Bankgeheimnis mehr. Das Modell der Zukunft heißt Bankdatenschutz. Der Bankkunde hat Recht auf eine gewisse Diskretion. Allerdings darf diese Regel nicht dazu führen, dass die Gesetze seines Heimatlandes umgangen werden. Deshalb war es richtig, auch ausländischen Steuerverwaltungen das Recht auf Nachfrage gewährt zu haben, wenn Probleme mit einem Steuerzahler in seinem Heimatland auftreten. Die Zukunft liegt darin, dass Luxemburgs Banken nur noch Kunden haben, die steuerkonform sind in ihrem Land und zugleich bei uns einen gewissen Datenschutz garantiert bekommen.

Tageblatt: War das Bankgeheimnis eigentlich nicht auch ein Hindernis, das die globale Ausrichtung des Bankenplatzes verhindert hat?

Luc Frieden: Meiner Meinung nach muss man als internationaler Finanzplatz auch internationale Standards anwenden. Deswegen habe ich immer darauf gepocht, dass die Regeln in puncto Besteuerung und im Kontext der Geldwäsche nach internationalen Standards angelegt werden.

Tageblatt: Noch gibt es bei diesen internationalen Standards keine Entscheidung. Wohin geht der Trend?

Luc Frieden: Im Kontext der Zusammenarbeit verschiedener Steuerbehörden besteht momentan kein klarer Trend, ob sich das Modell der Quellensteuer oder das des automatischen Informationsaustausches durchsetzen wird. Wir müssen bereit sein, beide Modelle umsetzen zu können. Das bedeutet, dass wir Kunden anziehen müssen, die nach Luxemburg kommen wegen seines stabilen Umfelds, der Qualität der Dienstleistungen und wegen des reglementarischen Umfelds. Auf diesen Stärken gilt es, sowohl hier wie auch im Ausland aufzubauen. Diesbezüglich, glaube ich, haben wir ganz große Schritte in die richtige Richtung getan.

Tageblatt: Sie sagen, wir müssen in puncto Besteuerung für die zwei Modelle bereit sein. Gilt Ahnliches auch für die Finanztransaktionssteuer?

Luc Frieden: Wir sind prinzipiell nicht gegen eine solche Steuer, möchte ich als Erstes anmerken. Allerdings muss erst einmal klar sein, welcher Zweck eine solche Steuer erfüllen soll. Sollte sie Mehreinnahmen für die Staatsbudgets aufbringen, dann bin ich der Uberzeugung, dass jedes Land seine Finanzinstitution so besteuem soll, wie es das für richtig hält.

Luxemburg hat ja mit der "taxe d'abonnenment" diesbezüglich eine Steuer dieser Art. Sollte die Finalität der Finanztransaktionssteuer jedoch darauf abzielen, hoch riskante Geschäfte so zu verteuern, damit sie abgeschwächt werden, dann muss man allerdings eine andere Art Steuer auflegen. Ich persönlich plädiere eher in die zweite Richtung. Eine solche internationale oder europäische Steuer soll zum Ziel haben, verschiedene hoch -spekulative Aktivitäten zu erschweren. Eine solche Steuer hat jedoch nur Sinn, wenn sie geografisch gesehen möglichst breit aufgestellt ist. So wird verhindert, dass sie nicht einfach umgangen werden kann und nicht zu einer Delokalisierung von Arbeitsplätzen führt.

Tageblatt: Ist dies bereits auf europäischer Ebene konsensfähig?

Luc Frieden: Dafür besteht in Europa noch kein Konsens - egal in welche Richtung-, da die Frage im Detail noch überhaupt nicht diskutiert wurde. Die Diskussionen werden sehr oberflächlich geführt, nach dem Motto ob man für oder dagegen ist, dass die Finanzindustrie mehr bezahlen muss. Das umreißt die Problematik allerdings viel zu kurz.

Tageblatt: Was ist ihre Position bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit und der Lohnkosten-Diskussion auf dem Finanzplatz?

Luc Frieden: Die Kosten der Banken bestehen ja nicht nur aus Personalkosten. Zu diesen Kosten gehören die Infrastrukturkosten, IT, Steuern, Personalkosten und die Lohnnebenkosten. Natürlich müssen diese so sein, dass wir uns in einem internationalen Umfeld positiv entwickeln können. Die Wettbewerbsfähigkeit ergibt sich durch diesen gesamten Block im Vergleich zu anderen Finanzplätzen wie London, Singapur, Zürich, Dublin ... Diese Frage kann also nur im Vergleich zu anderen Ländern gestellt werden.

Tageblatt: Ist die Kostendiskussion denn zum jetzigen Zeitpunkt gerechtfertigt?

Luc Frieden: Ich glaube, dass unsere Kostenstruktur momentan konkurrenzfähig ist. Wir müssen aber wachsam bleiben, weil der Platz eben eine internationale Ausrichtung hat. Manche Aktivitäten können ganz einfach dorthin ausgelagert werden, wo die Kostenstruktur niedriger ist. Allerdings sind die Kosten lediglich ein essentieller Faktor. In puncto Wettbewerbsfähigkeit spielen auch die Stabilität und die gesetzlichen Rahmenbedingungen eine Rolle. Man sollte auch nicht die wirtschaftsfreundlichen und die Maßnahmen zur Unterstützung des Finanzplatzes der Regierung unterschätzen. Dies sind andere solcher Faktoren, die internationale Unternehmen nach Luxemburg anziehen.

Tageblatt: Haben Sie ein rezentes Beispiel, um dies zu unterlegen?

Luc Frieden: Der Fakt, dass die großen chinesischen Banken Luxemburg als ihre Plattform für ihre europäische Aktivitäten auserkoren haben, ist ein Beweis dafür, dass eben viele Faktoren ausschlaggebend sind. Darüber hinaus wird wahrscheinlich eine weitere chinesische Bank ihre Plattform in nächster Zeit in Luxemburg aufbauen.

Tageblatt: Was macht Luxemburg, um im Bereich der ETF und der Geldmarktfonds konkurrenzfähig zu bleiben?

Luc Frieden: Die Konkurrenz muss ein Ansporn sein, damit wir nicht einschlafen und um zu versuchen, sich immer wieder mit den Besten messen zu können. Wir haben im Bereich der Fonds, den Sie gerade genannt haben, die "taxe d'abonnement" vor zwei Jahren angepasst, um mit einem Finanzplatz wie Dublin auf demselben Niveau spielen zu können. Das wollen wir auch in anderen Bereichen machen. Deshalb beinhaltet das Paket über die Transposition der AIFM-Direktive ein Wachstumselement für den Finanzplatz. Ich will allerdings nicht nur die Direktive umsetzen, sondern ich will auch dadurch erreichen, dass Luxemburg im Bereich der überwachten alternativen Fonds eine Schlüsselrolle in der Welt einnehmen kann. Ich möchte, dass wir in all diesen Bereichen, angespornt durch den Wettbewerb, eine Leadership-Position einnehmen. Dies hilft unserem Land enorm, da es vom Finanzplatz lebt, und das wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern.

Tageblatt: Ein Gesetz über Family Offices ist dabei, ausgearbeitet zu werden. Welche Absicht steht hinter diesem Vorhaben?

Luc Frieden: Ich verfolge die Strategie der Einführung adäquater Rahmenbedingungen, damit sich in Luxemburg Aktivitäten entwickeln können. Hierzu gehört auch eine gute Uberwachung und ein Qualitätslabel, welche jene durch die Überwachung bekommen. Vorjahren haben wir deshalb für eine ganze Reihe von Aktivitäten, die im breiten Umfeld der Banken aufgebaut wurden, den Statut des "professionnel du secteur financier" eingeführt. In dem Kontext sind wir der Meinung, dass die Aktivität der organisierten Beratung - jenseits der Anlageberatung - von wohlhabenden Kunden durchaus viel weiter entwickelt werden können, wenn wir ihnen einen Qualitäts- und Seriositätsstempel verpassen. Davon erwarte ich mir einerseits neue zusätzliche Aktivitäten für Luxemburg. Der Kunde dieser "family offices" soll andererseits dadurch die Gewissheit haben, dass das Unternehmen seriös ist und sie gut betreut.

Tageblatt: Über SRI (Sozialverantwortliches Investieren) wird viel geredet, jedoch macht die Branche innerhalb der Fondswelt nicht viel aus. Wie wichtig schätzen Sie diese ein?

Luc Frieden: Das mag wohl stimmen, was Sie sagen, jedoch ist es wichtig, dass auf einem Finanzplatz, der international und diversifiziert ist, auch in diesem Bereich Luxemburg auf die Weltkarte setzt. Wir haben dies z.B. schon bei der Mikrofinanz gemacht, wo wir bereits eine Leader-Position einnehmen. Ich möchte dieses Geschäftsfeld noch weiter ausbauen, auch mit anderen zusammenhängenden Instrumenten. Deshalb habe ich ein Rundtisch aufgestellt, wo man nachdenken soll, was wir reglementarisch unternehmen können, um dieses Geschäft zu unterstützen. Eine andere Dimension ist die Tatsache, dass nachhaltige Finanzen nicht nur eine Randerscheinung sind, sondern das zukünftige Denkschema hier in Luxemburg und in Europa bestimmen sollen. Es ist die Antwort auf die Frage, dass das kurzfristige Profltdenken nicht das einzige Ziel einer Wirtschaft sein kann.

Tageblatt: Könnte deshalb eine Minderung oder eine Abschaffung der "taxe d'abonnement" im SRI-Bereich, genau wie bei den Mikrokrediten, nützlich sein?

Luc Frieden: Ich möchte dies nicht ausschließen. Allerdings kann dies nur ein Teil einer generellen Reflexion sein.

Tageblatt: Themenwechsel. Dass der Staat mittlerweile in mehreren Banken Aktionär ist, verzerrt das nicht den Wettbewerb auf dem nationalen Markt?

Luc Frieden: Dass der Staat in zwei historisch privaten Banken Aktionär ist, ist sicherlich anormal. Diese Situation ist exklusiv krisenbedingt und wird nach der Krise bereinigt werden. Dennoch führt sie nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung, da der Staat keinen Einfluss auf das tägliche operationelle Geschäft von diesen Baken nimmt. Wir wollen, dass eine faire Konkurrenz auf dem Luxemburger Markt besteht, das ist auch jetzt der Fall.

Tageblatt: Was bedeutet "nach der Krise"?

Luc Frieden: Wenn sich die internationalen Finanzmärkte wieder stabilisiert haben, wenn die Banken in Europa wieder nomial funktionieren, dann ist es evident, dass sich der Luxemburger Staat aus dem Kapital der BGL und der BIL zurückzieht. In erster Linie ist es nonnal, dass man mit denen verhandelt, die bereits einen Anteil an der Gesellschaft haben. Diese Partner haben - wie das üblich ist - auch Vorkaufsrechte. Diese Frage stellt sich demnach nicht heute, sondern wenn die europäische Bankenlandschaft wieder gesund ist und auf eigenen Füßen stehen kann.

Tageblatt: Gleichzeitig profitiert der Staat in hohem Maße - wie bei der BGL zu sehen ist - auch von der Ausschüttung von Dividenden, die in den Zukunftsfonds fließen. Steht dies nicht im Widerspruch zu dem, was Sie gerade gesagt haben?

Luc Frieden: Nein. Uber die Dividenden bin ich natürlich froh. Die Finalität dieser Operationen zielte allerdings in erster Linie darauf ab, die Einlagen der Kunden dieser Banken zu retten und somit einen großen wirtschaftlichen und sozialen Schaden vor dem Luxemburger Land abzuweisen. Dass diese Operation ein Erfolg war und dass sie danach auch noch positive Folgerungen hatte, u.a. durch die Dividenden, ist eine positive Nebenerscheinung. Dies war nicht die Finalität der Aktion des Luxemburger Staates."

Tageblatt: Eine Frage zur Spuerkeess. Wie kommt es, dass die staatseigene Bank im Gegensatz zu den Privatbanken weder eine Bilanzpressekonferenz abhält noch ähnlich auskunftsfreundlich z.B. über ihr Griechenland-Engagement ist?

Luc Frieden: Das müssen Sie die Bank fragen. Allerdings bin ich der Meinung - und das Prinzip schreibe ich mir selber auch vor -, dass der Bürger das Recht hat - zumindest was die großen Linien betrifft -, zu erfahren, was beim Staat und bei den Unternehmen, die er kontrolliert, passiert. Solange es sich dabei nicht um Informationen handelt, die sensibel für die Kunden oder den Markt sind, hat er das Recht zu erfahren, wie mit seinen Steuergeldern umgegangen wird.

Tageblatt: Wie gut ist Luxemburg auf die neuen Regulierungen eingestellt (Fatca, Volcker Rule)? Ergibt dies eventuell auch Chancen?

Luc Frieden: Wir leben, wie gesagt, in einem schwierigen Umfeld, das sich permanent ändert. Bislang war es unsere Stärke, uns schnell auf Anderungen einzustellen. Auch diesmal glaube ich, dass Luxemburg relativ gut auf die anstehenden Veränderungen vorbereitet ist - vorausgesetzt, wir verlieren unsere offene Einstellung nicht. Es gilt nicht, an jedem Montagmorgen die Gesetze zu ändern. Doch wenn das Umfeld sich ändert, müssen wir vorausschauend handeln. Im Bereich der Vermögensverwaltung wurde bislang schon viel umgesetzt. Ich werde dennoch eine Art Vermögensstiftung als zusätzliches Instrument der Vermögensverwaltung in den kommenden Wochen anschieben. Im Bereich der Fonds wollen wir uns auf die neue Direktive über alternative Fonds vorbereiten. Selbstverständlich müssen wir in der internationalen Zusammenarbeit - sprich Fatca - ein Modell aufstellen, das es erlaubt, in Luxemburg auch zukünftig internationale Kunden und Investitionen nach internationalen Regeln anzuziehen.

Tageblatt: Was soll man sich unter der Vermögensstiftung vorstellen?

Luc Frieden: Ein Investor kommt nur dann nach Luxemburg, um sein Vermögen verwalten zu lassen, wenn er Gesellschaftsstrukturen vorfindet, die seiner Vermögensart entsprechen. Bei der Vermögensstiftung, die uns vorschwebt, wollen wir deshalb gezielt Unternehmer anziehen, die verhindern wollen, dass im Falle einer Erbschaft ihr Unternehmen auseinanderbricht. Diese Art Trust oder "Stichting" besteht bereits in einigen europäischen Ländern. Wir wollen in dieser Hinsicht ein Modell entwickeln, das uns hier in Luxemburg als Instrument bislang gefehlt hat. Je mehr Instrumente wir haben - die konform zu internationalen Regeln sind -, desto mehr Dienstleistungen können wir anbieten. Unser Ziel ist es, ein Finanzplatz zu haben, der die besten Rahmenbedingungen, die beste Uberwachung und ein gutes Know-how hat. Internationale Dimension bekommt man nur durch permanente Verstärkung und Adaptation verbessert. Nur wenn dies uns gelingt, dann können wir zuversichtlich über die Entwicklung des Finanzplatzes sein. Der Stillstand bedeutet jedenfalls Rückschritt.

Tageblatt: Welchen Eindruck haben Sie von der Entwicklung der Fatca-Debatte in den USA?

Luc Frieden: Diese Problematik betrifft nicht allein Luxemburg. Die US-Regeln, so wie sie momentan geplant sind, werden es den Amerikanern sehr schwierig machen, überhaupt noch internationale Geschäfte zu tätigen. Das finde ich schade, weil ich gerne hätte, dass die Zusammenarbeit zwischen Europa und Amerika weit enger verlaufen sollte. Bei der Fatca werden wir bilateral mit den Amerikanern verhandeln, weil - leider die EU keine europäische Verhandlung geführt hat. Die ersten Gespräche haben bereits angefangen.

Tageblatt: Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus einer europäischen Bankenunion?

Luc Frieden: Die Krise hat gezeigt, welche Vernetzung zwischen den einzelnen nationalen Wirtschaften und den verschiedenen Banken bestehen. Deshalb muss im Rahmen der Uberwachung und bei der Lösung von Problemen auch mehr Zusammenarbeit auf europäischer Ebene bestehen. Der Nationalstaat stößt hier an seine Grenzen. Den Ansatz finde ich richtig, die Details müssen allerdings noch verhandelt werden. Was die Uberwachung angeht, meine ich, dass unser jetziges System reicht, um eine gute Koordinierung herzustellen. Was das Krisenmanagement anbelangt, können wir uns allerdings noch verbessern. Jedoch warne ich vor dem Gedanken, dass mit einem großen gemeinsamen europäischen Topf alle Bankenkrisen zu lösen sind. Den Begriff Bankenunion kann ich vom Prinzip her nachvollziehen, aber man kann nicht zu einer Mutualisierung aller Risiken Europas kommen. Ja für mehr Europa, aber nur dann, wenn es eine wirkungsvolle und seriöse Bankenwelt behält - damit der eine nicht für die Dummheiten des anderen mithaften soll.

Tageblatt: Momentan geht das Schlagwort um, man soll die Banken vom Staat bzw. von den Steuerzahlern trennen. Was denken Sie darüber?

Luc Frieden: Das Verhältnis zwischen dem Steuerzahler und den Banken ist nicht dasselbe wie zwischen dem Steuerzahler und den Unternehmen. Ganz einfach, weil der Bankkunde ein Teil der Gesellschaft und der Wirtschaft ist. Geht eine Bank bankrott, so gehen die Konsequenzen viel weiter, als wenn ein Unternehmen dies tut. Ich glaube deshalb, dass die Staaten auch in Zukunft eine gewisse Verantwortung dafür tragen werden müssen, um den Schaden, der eine Bankpleite auf die Gesellschaft haben könnte, in Grenzen zu halten. Diese Idee der Trennung ist für mich eine relativ naive Schlussfolgerung. Natürlich stehen in erster Linie die Aktionäre in der Verantwortung. Staaten sollen lediglich dann eingreifen, wenn keine andere Lösung privatrechtlicher Natur mehr möglich ist - so gesehen bei Dexia und Fortis.

Tageblatt: Könnten die Milliarden-Garantien, die der Staat der Dexia-Gruppe stellt, sich zu einem zu hohen Risiko für den Staatshaushalt entwickeln?

Luc Frieden: Ich möchte noch mal auf den Kontext aufmerksam machen. Wir geben diese Garantien, um als Konsequenz davon die BIL aus der Dexia herauslösen zu können. Damit wollten wir die Abertausenden von Kunden der BIL schützen. Bis heute haben die Garantien den Luxemburger Staat nichts gekostet, weil sie noch nicht gezogen worden sind. Selbstverständlich besteht das theoretische Risiko, dass sie gebraucht werden können. Aus der Summe dieser Garantien kann jedoch kein irreparabler Schaden für den Staat entstehen, weil sie begrenzt ist und weil das, was wir damit erreicht haben, weitaus positiver ist, als das Risiko, das wir eingegangen sind.

Tageblatt: Der Staat hält auch eine Beteiligung an der BNP - etwa in Höhe eines Prozents. Was passiert hiermit?

Luc Frieden: Diese Beteiligung geht auf die Rettungsaktion der BGL zurück. Auch sie wirft gute Einnahmen ab, aber auch sie wird eines Tages - im Rahmen eines generellen Austritts des Staates aus dieser Bankengruppe - veräußert werden. Für den Moment ist es eine gute Investition.

Tageblatt: Wie steht es mit der BIL und der KBL?

Luc Frieden: Diese Operationen sind juristisch abgeschlossen. Steht noch die Zustimmung der Aufsichtsbehörden aus. Laut meinen Informationen besteht bei beiden Banken kein Problem. Ich hoffe, dass die Kommission bei der BIL innerhalb der nächsten Wochen grünes Licht geben wird.

Tageblatt: Der griechische Schuldenschnitt hat Luxemburgs Banken laut der CSSF 1,3 Milliarden Euro gekostet. Welche Auswirkung wird dies auf die Steuereinnahmen haben?

Luc Frieden: Das wird sicherlich eine Auswirkung haben, allerdings kann ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Auskunft darüber geben. Jedoch muss ich hinzufügen, dass auch die Wertberichtigung auf anderen Staatspapieren einen Einfluss auf die Bankenbilanzen hat. Umso wichtiger ist es auch für den Staatshaushalt -, neue Geschäftsfelder in Luxemburg zu erschließen.

Tageblatt: Können Sie ausschließen, dass ein weiteres Land in der EU einen Schuldenschnitt machen wird?

Luc Frieden: Ich glaube, das wäre nicht gut für das Vertrauen, das die Bürger ihren Staaten entgegenbringen. Das Umfeld ist so schwierig, man kann deshalb nichts zu hundert Prozent ausschließen. Wir können jedenfalls lediglich dafür sorgen, dass Europa alles unternimmt, um die Stabilität der Eurozone zu erhalten. Es genügt natürlich nicht, dies nur anzukündigen. Deshalb brauchen wir auch vertrauensbildende Maßnahmen. Dazu gehören auch gesunde Staatsfinanzen. Die Prozesse, die in den einzelnen europäischen Ländern in diese Richtung angestoßen wurden, können nicht über Nacht zum Erfolg führen. Dies kann auch nicht auf einem einzigen EU-Gipfel gelöst werden. Dieser Prozess wird Europa in den nächsten Jahren begleiten.

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