"Eine enorme Herausforderung", Luc Frieden au sujet des défis pour la période 2014/24, de la compétitivité du Luxembourg et des mesures de consolidation budgétaires

Luxemburger Wort: Hatten Sie, nach Ihrem Auftritt bei der Journée de l'ingénieur, eine solch heftige Reaktion von LSAP-Fraktionschef Lucien Lux erwartet?

Luc Frieden: Ich habe die aufgeregte Reaktion des Fraktionsvorsitzenden der LSAP nicht verstanden, weil ich mich in der Rede nicht mit der aktuellen Regierungspolitik beschäftigt habe. Die Rede hatte nichts mit dem politischen Tagesgeschäft zutun und sie hatte auch nichts mit links oder rechts zu tun. Ich erwarte mir aus den Parlamentswahlen 2014 heraus eine Debatte darüber, wie wir in Luxemburg gesunde Staatsfinanzen erreichen können und wie das Land als Standort für Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen, attraktiv bleiben kann.

Luxemburger Wort: Es bleibt dennoch der Eindruck, dass Ihre Ansichten und die des Premierministers nicht unbedingt deckungsgleich sind ...

Luc Frieden: Dieser Eindruck täuscht. Nochmals: Die Rede hatte nichts mit der aktuellen Regierungspolitik zu tun, die ich voll und ganz mittrage. Es ging mir um den Wunsch, dass wir uns in Luxemburg grundlegende Gedanken über die künftige Gestaltung des Landes machen. Und da sehe ich keine Unterschiede zwischen meinen Vorstellungen und denen des Staatsministers.

Luxemburger Wort: Was hat Sie eigentlich dazu bewogen, in Ihrer jüngsten öffentlichen Rede derart deutliche Worte zu wählen?

Luc Frieden: Mit meiner Ansprache wollte ich einen Anstoß liefern, wie wir für Luxemburg über die kommenden zehn Jahre Visionen entwickeln können, damit man hierzulande in einem veränderten Umfeld weiterhin flott leben und arbeiten kann. Das hinzukriegen verlangt in den kommenden beiden Legislaturperioden eine Reihe von Veränderungen.

Luxemburger Wort: Woran denken Sie konkret?

Luc Frieden: Veränderungen lassen sich nicht an drei konkreten Maßnahmen festmachen. Wir müssen aber in Luxemburg begreifen, dass sich die Rahmenbedingungen verändert haben, mit einerseits einem extrem hohen Lebensstandard hierzulande und andererseits einer verstärkten europäischen bzw. internationalen Konkurrenz. Demzufolge muss uns daran gelegen sein, dass das, was die Unternehmen heute bezahlen, auch morgen noch bezahlbar ist. Und meine Meinung ist, dass, sollte sich nichts ändern, es sich als schwierig erweisen wird, künftig noch Arbeitsplätze in der Industrie und im Handwerk zu schaffen.

Luxemburger Wort: Also gehört der Mindestlohn auf den Prüfstand?

Luc Frieden: Im Kontext des Kostenaufwandes. Selbstverständlich weiß ich, dass es ein schwieriges Unterfangen darstellt, sein Leben mit einem Mindestlohn zu bestreiten. Es stellt sich daher auch nicht die Frage, ob ich für oder gegen den Mindestlohn bin. Vielmehr stellt sich die Frage, ob ein Land wie Luxemburg Betriebe anziehen kann, wenn seine Lohn- und Kostenstruktur über der im Ausland liegt.

Luxemburger Wort: Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes oder eines Standortes misst sich aber auch an anderen Faktoren ...

Luc Frieden: ... weshalb wir wettbewerbsfahige Rahmenbedingungen benötigen. Dazu zähle ich auch eine vernünftige Steuerlast - also dürfen wir das wachsende Defizit nicht nur durch Steuererhöhungen finanzieren. Gewiss, die eine oder andere Steuer kann man anpassen. Das darf aber nicht zu einem dauerhaften Phänomen werden. Wir müssen dafür sorgen, weder in einer Schuldenspirale abwärtsgerissen zu werden, noch eine hohe Steuerlandschaft in Luxemburg zu zeichnen. Mein Plädoyer ist, dass wir sowohl bei den Staatsfinanzen als auch bei den allgemeinen Kosten langfristig gesehen eine breite Neuaufstellung vornehmen müssen. Die Welt bewegt sich, in Luxemburg hat man das noch nicht ganz mitbekommen. Es geht daher generell darum, die Wirtschaftspolitik und die Sozialpolitik stärker in Einklang zu bringen.

Luxemburger Wort: Wie kann das geschehen?

Luc Frieden: Ehe man konkrete Maßnahmen benennt, auf die sich dann jeder stürzt und zerredet, muss man den Ist-Zustand beschreiben. Wir sind in Luxemburg mit zwei Welten konfrontiert. Auf der einen Seite sollen die Löhne und Sozialleistungen im Interesse der Bürger steigen; diese Sorge verstehe ich ganz gut. Auf der anderen Seite haben wir Betriebe, die investieren und bezahlen müssen. Es stellt sich also die Frage, ob wir unser hohes Ausgabenniveau beibehalten können, ohne Arbeitsplätze in Gefahr zu bringen. Nach meinem Dafürhalten können wir das nicht, weil unsere Strukturkosten über denen im Ausland liegen.

Luxemburger Wort: Bei den Haushaltsdebatten haben Sie eine breit angelegte Diskussion für die "Straßenkarte für ein neues Luxemburg" vorgeschlagen. Ist die Tripartite noch ein geeignetes und repräsentatives Instrument, um diese Karte mitzuzeichnen?

Luc Frieden: Dialog ist ganz wichtig. Dieser Meinungsaustausch muss allerdings breiter aufgestellt werden als bisher. Die Tripartite, die in der Vergangenheit vieles gebracht hat, kann nicht mehr die einzige Stelle sein, wo diskutiert und entschieden wird. Die Meinung der Gewerkschaften ist nicht zwangsläufig die Meinung aller Bürger. Es fehlt letztlich die tiefgreifende Auseinandersetzung über die langfristige Planung. Wie können wir aus vermeintlichen Widersprüchen einen langfristig gangbaren Plan aufstellen? Wir benötigen eine kohärentere Politik, um so unterschiedliche Bereiche wie z. B. Soziales, Wirtschaft, Bildung, Einwanderung oder Energiepolitik zu vereinbaren: Das ist eine enorme Herausforderung für die nächste Regierung.

Luxemburger Wort: Wer wäre denn in einer nächsten Regierung der geeignete Koalitionspartner? Bei der LSAP hält sich die Freude über Ihre Rede in Grenzen. Déi Gréng ihrerseits haben unlängst auch die Idee eines Zukunftstisches ins Spiel gebracht.

Luc Frieden: In Anbetracht der Herausforderungen, die zu bewältigen sind, sollten wir uns nicht zu viel in ideologischen Kisten bewegen. Wie Menschen arbeiten und leben, ist keine Frage von Schwarz, Rot, Grün oder Blau. Die Antwort darauf müssen aber alle Parteien formulieren, und möglichst ohne vorgefasste Meinungen. Wie eine Koalition dann aussieht, darüber entscheidet der Wähler. Ich würde allerdings begrüßen, wenn sich in dieser Koalition Parteien zusammenfinden, die imstande sind, sozial und wirtschaftlich verantwortungsvoll zu handeln. Eine Partei, die nur einen Bereich sieht, kann keine Regierungsverantwortung übernehmen.

Luxemburger Wort: Kann man von der jetzigen Regierung behaupten, dass sie sozial und wirtschaftlich verantwortungsvoll handelt?

Luc Frieden: Die Regierung hat bereits eine Reihe von Reformen eingeleitet und die Dynamik der jüngsten Beschlüsse zeigt, das wir zu handeln bereit sind. Ich glaube aber, dass wir uns nicht genug damit auseinandersetzen, dass die Ausgaben des Staates und die Kosten der Betriebe in Industrie und Handwerk zu hoch sind, um die Herausforderungen in einem verschärften Wettbewerb zu meistern. Wenn wir uns dieser Frage nicht stellen, haben wir unsere Aufgabe als Politiker nicht erfüllt. Die Desindustrialisierung des Landes bereitet mir große Sorgen. Es ist nicht gut, wenn ein Land nur im Dienstleistungsgewerbe wächst und die anderen Wirtschaftszweige schrumpfen.

Luxemburger Wort: Mit der Diversifizierung tut sich Luxemburg jedoch schwer, Beispiel Logistikbranche ...

Luc Frieden: ... deren angedachte Niederlassung auf dem früheren WSA-Gelände zeigt, dass wir die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt haben. Das Dossier ist gelähmt durch Interessenkonflikte zwischen Ökologie und Ökonomie, zwischen lokaler und nationaler Entscheidungsinstanz. Wir sind derzeit nicht in der Lage, schnell genug zu reagieren, um mit der weltweiten Geschwindigkeit Schritt zu halten. Wir müssen aber dahin gelangen, dass ein Befrieb, der sich hierzulande niederlassen will, innerhalb von ein paar Wochen den Instanzenweg bewältigt hat.

Luxemburger Wort: Wie schnell werden, wie vom Premierminister in Aussicht gestellt, weitere Sparmaßnahmen erfolgen?

Luc Frieden: Wir befinden uns seit Jahren in einer Lage, wo die Ausgaben schneller steigen als die Einnahmen. Im Rahmen des Stabilitätsprogramms müssen wir in Brüssel unsere Sparorientierungen darlegen. Daher wollen wir bis April die Leitlinien der Ausrichtung unserer künftigen Finanzpolitik definieren.

Luxemburger Wort: Wird die Wiedereinführung der Krisensteuer Bestandteil dieser Definition sein?

Luc Frieden: Wie gesagt, wir müssen uns erst einmal darum kümmern, unsere Ausgaben in den Griff zu bekommen.

Luxemburger Wort: Ist es in dem Zusammenhang nicht an der Zeit, die Investitionspolitik zu überdenken, Beispiel Velodrom, Beispiel Nationalstadion?

Luc Frieden: Wir benötigen ganz gewiss eine Diskussion über die Investitionsvorhaben. Wir haben in der Vergangenheit zu viele Vorhaben als prioritär erklärt. Wir haben ein Niveau erreicht, das mittelfristig nicht zu halten ist. Auch wenn das nicht jedem gefallen wird, müssen wir unsere Prioritäten neu definieren. Ich will jetzt nicht dieses oder jenes Vorhaben ins Visier nehmen. Nur so viel: Projekte, die der wirtschaftlichen Entwicklung und der Schaffung von Arbeitsplätzen dienen, genießen ebenso wie Schulen Vorrang.

Luxemburger Wort: Das Sozialbudget braucht den Löwenanteil der Ausgaben auf. Können die Ausgaben durch Sachleistungen, wie sie auch im Dezember beschlossen wurden, gezielter eingesetzt werden?

Luc Frieden: Die Beschlüsse der Regierung konzentrieren sich auf jene Menschen, die am meisten auf die Unterstützung des Staates angewiesen sind. Sachleistungen halte ich grundsätzlich für einen richtigen Weg, wissend, dass er nicht in allen Bereichen gangbar ist.

Luxemburger Wort: Sie beschäftigen sich intensiv mit der Zukunft des Landes. Wie sieht der Finanzminister seine eigene Zukunft?

Luc Frieden: Als Mitglied dieser Regierung habe ich bis 2014 die äußerst schwierige Aufgabe, die öffentlichen Finanzen ins Lot zu bringen. Ich bin der erste Finanzminister, der Ausgaben substantiell kürzen muss. Diese Herausforderung ist so groß, dass man sich keine anderen Fragen stellt.

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