"Aus einer Krise muss man Lehren ziehen", Luc Frieden au sujet de l'avenir du secteur financier luxembourgeois

Luxemburger Wort: Die Welt der Banken hat sich nach der Finanzkrise stark verändert. Wie hat sich der Finanzplatz Luxemburg heute im Rückblick in der Krise und gegen die Krise behauptet?

Luc Frieden: Der Finanzplatz Luxemburg hat die Krise relativ gut überstanden. Die Resultate der Banken sind bescheidener geworden als vor der Krise und die Bilanzsumme der Banken ging 2009 und 2010 zurück. Bei einigen Häusern stellt man jedoch positive Geschäftsentwicklungen fest und 2010 wurden im Finanzsektor auch wieder etwa 500 neue Jobs geschaffen. Positiv ist auch, dass das von den Fonds verwaltete Vermögen wieder steigt und dass wir im Fondsbereich unsere führende Stellung auch bei neuem Geschäft seit der Krise ausbauen konnten.

Luxemburger Wort: Verschiedene Finanzakteure beschweren sich über die Flut an neuen Regeln. Teilen Sie die Kritik am Gesetzgeber?

Luc Frieden: Es gab keine Flut an neuen Regeln, aber wir haben - zu Recht wie ich finde - in Europa dort Regeln geschaffen, wo Handlungsbedarf bestand. Aus einer Krise muss man Lektionen ziehen. Und einige neue Regeln sind im Interesse der neuen Finanzwelt und ermöglichen neue Geschäftsfelder auch für Luxemburg, wie z. B. die neuen Private-Equity- und Hedgefonds-Regeln der EU.

Luxemburger Wort: Sind Luxemburgs Banken auf ein sich stark veränderndes Umfeld vorbereitet?

Luc Frieden: In der Praxis glaube ich, dass die neuen Regeln kein Hindernis für die in Luxemburg ansässigen Banken darstellen, da diese im Allgemeinen sehr gut mit Kapital ausgestattet sind und die meisten bereits heute die Basel-111-Kapitalanforderungen erfüllen.

Luxemburger Wort: Führt der administrative Mehraufwand dazu, dass vor allem kleinere Institute ihre Präsenz am Finanzplatz in Frage stellen werden?

Luc Frieden: Es ist eher das Geschäftsmodell statt die Größe, die erklärt, wo eine Bank sich niederlässt. Das Kapitel der deutschen Landesbanken zum Beispiel neigt sich dem Ende zu, aber andere kleine Finanzinstitute mit qualitativ hohem Service expandieren.

Luxemburger Wort: Die Krise hat auch die Arbeit der CSSF verändert. Wie beurteilen Sie die Rolle der Luxemburger Finanzaufsicht und des "Commissariat aux assurances" in den neuen europäischen Strukturen?

Luc Frieden: Ihre Arbeit wird natürlich internationaler. Es gilt, mit den neuen europäischen Aufsichtsbehörden und den anderen nationalen Finanzaufsichten zusammenzuarbeiten sowie die neuen internationalen Standards anzuwenden. Eine effiziente, strenge und pragmatische Aufsicht ist ein wichtiger Standortfaktor. Ich fmde, dass unsere Aufsichtsbehörden gut arbeiten. Um sowohl zeitlich wie qualitativ gut zu arbeiten, haben wir auch das Personal konsequent verstärkt. Bei der CSSF z. B. arbeiteten 1998 noch 120 Personen, heute sind es 360, davon übrigens 47 Prozent Frauen und 53 Prozent Männer.

Luxemburger Wort: Die ABBL macht sich Sorgen, dass die Luxemburger Regierung bei ihren Bemessungsgrundlagen von einem zu hohen Wachstum ausgeht. Auch die CSSF mahnt dazu, sich auf geringere Steuereinnahmen aus dem Finanzsektor einzustellen. Was sagt der Finanzminister, der zudem für das Budget verantwortlich ist, zu solchen Aussagen?

Luc Frieden: Wachstumsprognosen in unsicheren Zeiten wie diesen sind schwierig. Die genauen Konsequenzen der Krise auf die Wirtschaft der Eurozone, die Entwicklung der Energiepreise und die Situation in Nordafrika sind mittelfristig schwer einzuschätzen. Deshalb rate ich dazu, vorsichtig zu haushalten und Schulden nur sehr begrenzt aufzunehmen.

Luxemburger Wort: Können Sie den Steuerzahlern verdeutlichen, warum die Bankenrettung aus Sicht Luxemburgs keine Verbrennung von Steuergeldern darstellt, sondern ein gutes Geschäft ist?

Luc Frieden: Unser Ziel war es nicht, ein gutes Geschäft zu machen, sondern die Banken und die Kundeneinlagen abzusichern und somit großen sozialen und wirtschaftlichen Schaden zu vermeiden. Weil die Banken dank dieser Hilfe überlebt haben, konnten wir bislang ungefähr 350 Millionen Euro an Dividenden und Zinsen einnehmen.

Luxemburger Wort: Laut gültigem Vertrag muss Luxemburg zum 1. Juli die Quellensteuer für Gebietsfremde auf 35 Prozent anheben. Riskiert Luxemburg damit einen Wettbewerbsnachteil z. B. gegenüber Deutschland, wo es eine Abgeltungssteuer von 25 Prozent gibt?

Luc Frieden: Ich denke, dass die Banken und die Kunden gut auf diesen Schritt vorbereitet sind, weil diese Regelung schon vor acht Jahren beschlossen wurde.

Luxemburger Wort: Wie geht es weiter in der Diskussion über die europäische Zinsbesteuerung?

Luc Frieden: Wir wollen eine Lösung, die Steuerehrlichkeit, grenzüberschreitendes Geschäft, Bankdatenschutz und Arbeitsplätze in der Vermögensverwaltung in den EU-Staaten absichert. Daran arbeiten wir. Es sind schwierige aber sachlich-konstruktive Verhandlungen mit unseren Partnern in der EU.

Luxemburger Wort: LFF hat sich zu einem wichtigen Instrument für die Entwicklung des Finanzplatzes entwickelt. Für die Nachbereitung fehlt es häufig jedoch an notwendigen Ressourcen. Wie können Sie die Finanzplatzagentur noch besser unterstützen?

Luc Frieden: Natürlich möchte man immer noch mehr in diesem Bereich machen. Aber ich denke, dass bei LFF die Zusammenarbeit zwischen dem Staat und dem Privatsektor Früchte trägt und dass wir in einer globalisierten Welt gut den Finanzmarkt nach außen hin vermarkten und somit neue Geschäfte nach Luxemburg anziehen. Ich werde die Agentur weiterhin bei ihrer Arbeit im Ausland tatkräftig unterstützen.

Luxemburger Wort: Der Finanzplatz Luxemburg steht in einem harten Wettbewerb mit anderen Finanzplätzen. Welches sind die größten Herausforderungen? Wie lässt sich der Finanzplatz nachhaltig stärken?

Luc Frieden: Daran arbeiten wir täglich. Ich denke, dass wir uns in den fünf Bereichen, die ich als Grundpfeiler des Finanzplatzes stärken will, sprich Vermögensverwaltung, Investmentfonds, Strukturierung von internationalen Geschäften, internationales Kreditgeschäft und Versicherungen, stets umschauen müssen, welche neuen Trends es gibt. Außerdem müssen wir unser Regelwerk internationaler als andere ausrichten. In mehreren dieser Bereiche arbeiten wir an neuen Texten, um den Investoren Rechtssicherheit und neue Produkte anbieten zu können. Natürlich müssen wir uns auch verstärkt um neue Kunden in Europa und in der Welt bemühen. Die Konkurrenz schläft nicht.

Luxemburger Wort: Wie kann Luxemburg vor diesem Hintergrund den steigenden Bedarf an qualifizierten Fachkräften bedienen?

Luc Frieden: Auch hier gilt es, verstärkt Werbung für Luxemburg im Ausland, bei Studenten und Fachkräften zu machen. Unser Finanzplatz und unser Land hat in punkto interessanter Arbeit, rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen sowie Lebensqualität viel zu bieten.

Dernière mise à jour