"La voie bilatérale suisse est une voie possible", Luc Frieden au sujet des relations entre l'UE et la Suisse

Blick: Herr Finanzminister, haben Sie Ihre neue Schweizer Amtskollegin Eveline Widmer-Schlumpf schon kennengelernt?

Luc Frieden: Ich kenne sie seit längerer Zeit. Wir waren zur gleichen Zeit Justiz- und Polizeiminister. Ich habe sie in dieser Funktion kennengelernt.

Blick: Haben Sie sich bei ihr schon bedankt?

Luc Frieden: Wofür?

Blick: Für die Verhandlungen mit Deutschland über eine Abgeltungssteuer. Das rettet Luxemburg vor dem automatischen Informationsaustausch.

Luc Frieden: Das werden wir sehen. Noch ist nicht klar, was bei diesen Verhandlungen herauskommt und welchen Einfluss sie auf die europäische Steuerdebatte haben werden.

Blick: Sie wollen diese Debatte aber einfrieren, solange das Ergebnis der Verhandlungen nicht bekannt ist.

Luc Frieden: Wir verfolgen die Verhandlungen mit grossem Interesse.

Blick: Ist die Abgeltungssteuer eine Alternative zum automatischen Informationsaustausch?

Luc Frieden: Wir denken in Luxemburg, dass dieses Modell besser ist als der automatische Informationsaustausch. Es würde eine effiziente Besteuerung und gleichzeitig ein hohes Mass an Datenschutz ermöglichen.

Blick: Ist Luxemburg darum gegen ein Mandat für die EU-Kommission, um mit der Schweiz Steuerverhandlungen zu führen?

Luc Frieden: Es geht nicht um das Mandat, es geht um den Inhalt dieses Mandates. Zuerst müssen wir doch wissen, was wir genau verhandeln wollen. Das wissen wir aber erst, wenn die Diskussionen zwischen der Schweiz und Deutschland abgeschlossen sind. Darum gibt es von luxemburgischer Seite her zurzeit keine Zustimmung für ein Mandat.

Blick: Gibt es eine Allianz Schweiz-Luxemburg für das Bankgeheimnis?

Luc Frieden: Die Allianz Schweiz-Luxemburg ist mehr als eine Allianz um das Bankgeheimnis. Ich habe mich in den letzten Jahren sehr oft mit Schweizer Politikern wie Doris Leuthard und Hans-Rudolf Merz über wirtschaftspolitische Themen ausgetauscht.

Blick: Auch zum Bankgeheimnis?

Luc Frieden: Es stimmt, dass wir auch beim Bankgeheimnis, beim Schutz der Privatsphäre, die bei der Vermögensverwaltung wichtig ist, eine gemeinsame Sicht haben. Und das stärkt unsere Position auch bei internationalen Verhandlungen.

Blick: Ist das Bankgeheimnis eine Geschäftsoption mit Zukunft?

Luc Frieden: Ich glaube, dass der Schutz der Privatsphäre, der Schutz des Bürgers vor dem Zugriff des Staates, ein wichtiges Gut ist. Dieses Gut sollten wir nicht so schnell preisgeben. Die Schweiz und Luxemburg sollten sich für diese Position nicht schämen. Im Gegenteil. Wir sollten sie offensiv nach aussen tragen ... ...

Blick: und Steuerbetrüger schützen?

Luc Frieden: ... natürlich mit effizienten Mitteln zur Steuerbetrugsbekämpfung.

Blick: Haben Sie die Konten der früheren Machthaber Tunesiens und Ägyptens in Luxemburg gesperrt?

Luc Frieden: Wir sind Mitglied der EU, und solche Massnahmen fallen in den Aufgabenbereich der EU-Kommission. Bei Ägypten hat die zuständige EU-Behörde noch nicht entschieden. Im Falle von Tunesien wurde eine Kontosperre beschlossen.

Blick: Die Konten von Ben All in Luxemburg sind also gesperrt?

Luc Frieden: Ja, wenn es Konten gäbe. Solche sind uns aber nicht bekannt.

Blick: Und Mubarak lassen Sie Zeit, damit er die Konten leerräumen kann?

Luc Frieden: Es gibt keine Anfrage der ägyptischen Behörden zu Auslandkonten des früheren Staatschefs. Trotzdem könnte die EU Kontosperren anordnen. Es gibt aber bis jetzt keinen Entscheid.

Blick: Warum dauert das so lange?

Luc Frieden: Weil die Frage in Europa sich so nicht stellt. Wenn ein Politiker viel Geld auf einem Konto hat, dann müssen die Banken dies schon vorher den Anti-Geldwäscherei-Behörden melden. Man braucht also nicht zu warten, bis der Diktator abdankt, um auf illegale Geldtransaktionen aufmerksam zu werden.

Blick: Ihr Premierminister Jean-Claude Juncker wünscht sich die Schweiz in der EU. Und Sie?

Luc Frieden: Luxemburg steht der Schweiz sehr nahe. Und gute Freunde hätten wir gerne am gleichen Tisch. Ich denke aber, dass in Europa, wo die Schweiz geografisch und politisch dazugehört, verschiedene Möglichkeiten der Zusammenarbeit möglich sein müssen. Die Schweiz ist uns inhaltlich sehr nahe. Wenn sie einen etwas anderen Weg gehen will, stört mich das nicht.

Blick: Die EU sagt, der bilaterale Weg der Schweiz stosse an seine Grenzen.

Luc Frieden: Wie schon gesagt: Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie man die Beziehungen zu befreundeten Staaten wie der Schweiz pflegen kann. Der bilaterale Weg ist ein möglicher Weg.

Blick: Hat er noch Zukunft?

Luc Frieden: Es ist nicht immer ein einfacher Weg, aber es ist ein gangbarer Weg. Manchmal wäre es zwar einfacher für uns, wenn die Schweiz mit uns am europäischen Tisch sitzen würde. Aber ich kann mit dem bilateralen Weg sehr gut leben.

Blick: Die EU macht Druck für ein Rahmenabkommen.

Luc Frieden: Ich denke nicht, dass Druck auf die Schweiz ausgeübt wird. Die Schweiz ist einer der wichtigsten Partner der EU. Wir sollten die Beziehung Schweiz-EU nicht immer in einem Verhältnis von Druck sehen, sondern gemeinsam europäische Themen besprechen.

Blick: Der Rahmenvertrag wird aber als Diktat von Brüssel empfunden.

Luc Frieden: Ich möchte noch einmal betonen, dass die Schweiz in der EU viele Freunde hat. Luxemburg gehört sicher dazu. Die Schweiz sollte sich aber nicht immer als Opfer sehen, sondern in der Rolle eines gleichberechtigten, hochgeschätzten Partners.

Blick: Wie gut kennen Sie die Schweiz?

Luc Frieden: Sehr gut. Ich verbringe seit Jahren Ferien in der Schweiz. Ich finde die Landschaft sehr schön. Und die Menschen sind sehr nett. Eigentlich ist die Schweiz ein Stück Paradies auf Erden.

Blick: Und wo haben Sie Ihr Geld, in der Schweiz oder in Luxemburg?

Luc Frieden: Ich habe mein Geld in Luxemburg. Als Finanzminister eines international anerkannten Finanzplatzes ist mein Geld hier gut aufgehoben.

Blick: Glauben Sie noch an den Euro?

Luc Frieden: Der Euro ist ein sehr starkes Instrument für die politische Einigung in Europa. Er macht das Leben viel einfacher. Wir müssen aber die Schuldenlast reduzieren. Luxemburg ist in einer komfortablen Situation, unsere Schuldenlast ist klein.

Blick: Der weiche Euro bereitet der Schweiz Kopfzerbrechen.

Luc Frieden: Der Aussenwert des Euro ist heute viel weniger wichtig als früher, wo es noch nationale Währungen gab. Die meisten europäischen Staaten tätigen sehr viel Handel mit anderen europäischen Staaten- und dies in der gleichen Währung. Ich denke, dass der gegenwärtige Wert gegenüber anderen Währungen akzeptabel ist.

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