Luc Frieden au sujet de la solidarité européenne, des avancées en matière de la régulation et de la compétitivité de la place financière du Luxembourg

Börsen-Zeitung: Herr Minister Frieden, würden Sie der Behauptung widersprechen, dass die Europäische Union und der Euro in einer existenziellen Krise stecken?

Luc Frieden: Ja, das würde ich. Europa hat in der Finanzkrise bewiesen, dass es fähig ist, große Entscheidungen einstimmig zu treffen. Nur durch eine gut koordinierte Politik Europas war es möglich, großen sozialen und wirtschaftlichen Schaden von den Menschen Europas fernzuhalten. Wir haben koordiniert die Bankguthaben der Bürger Europas gerettet, mit Konjunkturprogrammen die Wirtschaft neu gestartet und unsere gemeinsame Währung erfolgreich unterstützt.

Börsen-Zeitung: Ist die EU zunächst mit der Griechenland-Hilfe und dann mit dem 440 Mrd. Euro schweren Stabilitätsfonds für die Gemeinschaftswährung (European Financial Stability Facility - EFSF) nicht auf dem Weg zum Bail-out-Club bzw. zur Transferunion?

Luc Frieden: Nein, denn wir übernehmen ja nicht die Schulden anderer Staaten, sondern wir stellen vorübergehend Kredite zur Verfügung, verbunden mit strengen Auflagen betreffend Haushaltskonsolidierung. In Europa brauchen wir - in vielen Bereichen - vernünftige Solidarität in schwierigen Zeiten.

Börsen-Zeitung: Erklären Sie bitte, warum die angesprochenen Entwicklungen im Einklang mit den für die Europäische Währungsunion konstitutiven Vereinbarungen stehen sollen, die 1991 in Maastricht getroffen wurden.

Luc Frieden: Ich kann bei unseren Entscheidungen nichts erkennen, was gegen den Vertrag verstoßen würde. Ein Konkurs eines Euro-Mitgliedstaates aber hätte ähnliche Konsequenzen für die Währungsunion gehabt wie Lehman Brothers für die Finanzwelt.

Börsen-Zeitung: Stimmen Sie zu, dass die Europäische Zentralbank (EZB) geldpolitische Tabus gebrochen hat, etwa durch den Ankauf von Staatsanleihen oder die Aufweichung der Sicherheitenanforderungen für Repo-Geschäfte?

Luc Frieden: Es steht mir nicht zu, geldpolitische Entscheidungen der politisch unabhängigen EZB zu kommentieren. Generell finde ich, dass die EZB unter Präsident Trichet eine hervorragende Rolle in der Finanzkrise seit 2008 gespielt hat.

Börsen-Zeitung: Halten Sie es für realistisch, dass die verantwortlichen Politiker in der Lage und dazu bereit sind, der in vielen - nicht nur europäischen - Ländern festzustellenden "Verschuldungsmanie" Einhart zu gebieten?

Luc Frieden: Glauben Sie mir, es wäre haushaltspolitisch einfacher gewesen, die Privatwirtschaft nicht mittels Bankenrettungspaketen und Konjunkturprogrammen zu unterstützen. Die Verschuldung wurde ja durch diese sozial- und wirtschaftspolitisch notwendigen Maßnahmen verstärkt. Aber wir wissen auch, dass hohe Verschuldung über eine längere Zeit hinweg nicht hinnehmbar ist. Der schwierige Rückzug aus der Verschuldung und den Staatsdefiziten wird 2011 in allen Euro-Staaten beginnen.

Börsen-Zeitung: In Reaktion auf die Schuldenkrise will man in Europa den Stabilitätspakt verschärfen. Aber warum sollten wir glauben, dass die Politiker ihre selbst gesetzten strengeren Regeln künftig einhalten werden, wenn schon der bisherige Rechtsrahmen bei Bedarf äußerst flexibel interpretiert wurde?

Luc Frieden: Wir wollen nicht die Kriterien des Stabilitätspaktes verschärfen, sondern ein Frühwarnsystem einbauen. Ich habe bislang keinen meiner Kollegen gehört, der sich dem widersetzen würde. Wir sitzen doch alle im selben Boot.

Börsen-Zeitung: Wie lassen sich die öffentlichen Haushalte konsolidieren und der "Exit" aus staatlichen Konjunkturprogrammen bewerkstelligen, ohne zu riskieren, dass dadurch der wirtschaftliche Aufschwung abgewürgt werden könnte?

Luc Frieden: Sie können doch nicht die hohe Staatsverschuldung kritisieren und dann keine Exitstrategie wollen. Konjunkturprogramme bleiben Kriseninstrumente.

Börsen-Zeitung: Verfolgen die EU-Finanzminister in dieser Frage eine einheitliche Linie?

Luc Frieden: Ja. Das haben wir in der Eurogruppe so entschieden.

Börsen-Zeitung: Wie bewerten Sie den transatlantischen Konflikt in der Frage "Haushaltskonsolidierung versus Wachstumsstimulierung"?

Luc Frieden: Europa ist nicht Amerika. Auch die Amerikaner haben kein Interesse an einem überschuldeten Europa.

Börsen-Zeitung: Ein anderes Thema: Lehren aus der Finanzkrise. Ist der Eindruck falsch, dass den großen Worten, die von den Regierungschefs der G 20 auf sogenannten Weltfinanzgipfeln gesprochen werden, vergleichsweise bescheidene Taten folgen, sobald die Politiker in ihre jeweiligen Hauptstädte zurückgekehrt sind?

Luc Frieden: Sehr viele der Ziele der europäischen oder internationalen Finanzgipfel wurden umgesetzt oder sind dabei, umgesetzt zu werden. Natürlich sind dies hochkomplizierte Themen, wo die technische Nacharbeit von politischen Entscheidungen viel Zeit in Anspruch nimmt.

Börsen-Zeitung: Befürchten Sie, dass es in nennenswertem Umfang zu nationalen Alleingängen kommt und dadurch seitens der Finanzmarktakteure künftig vermehrt Regulierungsarbitrage an der Tagesordnung sein wird?

Luc Frieden: Nein, sicherlich nicht in Europa, weil wir ja europäische Gesetze verabschieden und diese dann national umsetzen.

Börsen-Zeitung: Erkennen Sie protektionistische Tendenzen, beispielsweise indem einzelne Regierungen versuchen, ihren nationalen Finanzplätzen auf unlautere Weise Wettbewerbsvorteile zu verschaffen? Falls ja: Können Sie bitte Beispiele nennen?

Luc Frieden: Ich sehe hier keine nennenswerten Fälle, aber die Krise hat die Konkurrenz der Finanzplätze verschärft.

Börsen-Zeitung: Wo sehen Sie bereits zufriedenstellende Fortschritte und wo noch den dringendsten Handlungsbedarf in Sachen Finanzmarktregulierung?

Luc Frieden: In Europa haben wir z. B. gute Fortschritte bei der Schaffung europäischer Aufsichtsbehörden, bei Hedgefonds, Bonizahlungen oder der Überwachung der Ratingagenturen gemacht. Der von EU-Kommissar Barnier im Juni angekündigte Arbeitsplan für das zweite Semester 2010 geht in die richtige Richtung: keine Überregulierung, aber bessere Kontrolle der Risiken durch eine verstärkte europäische Zusammenarbeit. Im Bereich der Währungsunion finde ich, dass die Finanzminister der Eurogruppe ausgezeichnet zusammenarbeiten.

Börsen-Zeitung: Wie beurteilen Sie namentlich den Verhandlungsstand über die neuen Eigenkapitalregeln ("Basel III")? Und was ist Ihre Meinung zur Weiterentwicklung der internationalen Rechnungslegungsregeln? Gibt es auf diesem Gebiet nicht ein ziemlich großes Durcheinander?

Luc Frieden: Das sind schwierige, aber wichtige Diskussionen, die ja jetzt nicht auf Ministerebene geführt werden. Soweit mir bekannt, machen diese Gespräche gute Fortschritte.

Börsen-Zeitung: Sprechen wir über den Finanzplatz Luxemburg: Wie hat nach Ihrer Einschätzung die Finanzkrise seine internationale Wettbewerbsposition beeinflusst?

Luc Frieden: Die Finanzkrise hat keinen größeren Schaden hinterlassen, da Luxemburg vor allem Tochtergesellschaften von internationalen Banken beherbergt. Als Luxemburger Staat haben wir uns an den internationalen Rettungsaktionen der Bankgruppen Fortis und Dexia erfolgreich beteiligt. Lediglich die isländischen Bankfilialen sind verschwunden, und die deutschen Landesbanken müssen wegen EU-Auflagen ihr internationales Geschäft zum Teil aufgeben.

Börsen-Zeitung: Die Zahl der Banken in Luxemburg ist seit Mitte der neunziger Jahre um etwa ein Drittel auf rund 150 gesunken. In Frankfurt zum Beispiel ist die Zahl der ansässigen Banken im selben Zeiträum leicht gestiegen. Das scheint nicht unbedingt für Luxemburg zu sprechen.

Luc Frieden: Die Zahlen sagen nicht viel aus, da es sich vor allem um Fusionen von Bankhäusern handelt. Ich stelle fest, dass es großes Interesse an Luxemburg in der Welt gibt, so zum Beispiel in Indien und China. Die Zahl der Arbeitsplätze am Finanzplatz, bei Banken, Fonds und Beratung ist in den letzten Jahren gestiegen.

Börsen-Zeitung: Was sind die wesentlichen Herausforderungen für den Finanzplatz Luxemburg, um die Wettbewerbsfähigkeit mindestens aufrechtzuerhalten oder möglichst sogar noch zu steigern?

Luc Frieden: Politische, finanzielle und soziale Stabilität waren und bleiben die Merkmale Luxemburgs, dessen Finanzplatz resolut international ausgerichtet ist. Wir werden eine proaktive Politik für den Finanzplatz machen mit einem klaren Rechtsrahmen und mit neuen Märkten, zum Beispiel in Asien und den Golfstaaten, zusammenarbeiten.

Börsen-Zeitung: Wie wollen Sie speziell das rechtliche Umfeld für die Investmentfondsbranche weiterentwickeln, damit der Standort seine Attraktivität für Kapitalanlagegesellschaften beibehält?

Luc Frieden: Hier braucht es keine großen Anpassungen, aber wir werden auf die Vorschläge der Branche eingehen und die Ucits-IV-Richdinie schnell umsetzen. Wir werden den steuerlichen Rahmen wo nötig verbessern, z.B. bei Master Feeder Funds, bei der Verschmelzung von Fonds oder bei Indexfonds.

Börsen-Zeitung: Wie wird sich die EU-Richtlinie für Manager alternativer Investmentfonds (AIFM) auf den Fondsstandort Luxemburg auswirken?

Luc Frieden: Die Richtlinie ist ja noch nicht angenommen, aber ich weiß aus Erfahrung, dass jede neue europäische Entwicklung dem luxemburgischen Fondsgeschäft neue Möglichkeiten geboten hat, weil Europa unser Markt ist.

Börsen-Zeitung: Welche Lehren muss Luxemburg aus dem Fall Madoff ziehen?

Luc Frieden: Madoff ist ja kein Luxemburger Fall, sondern ein amerikanischer. Im Fondsbereich, wo Luxemburger Depotbanken betroffen waren, gelten in Luxemburg die gleichen Regeln wie in anderen EU-Staaten. Luxemburg wird alle Bemühungen der EU unterstützen, zusätzliche Regeln einzuführen, die die Verantwortung der einzelnen Akteure klären.

Börsen-Zeitung: Herr Minister, man kann kein Interview über Luxemburg führen, ohne Themen wie das Bankgeheimnis, das Großherzogtum als angebliches Steuerparadies, Quellensteuern oder Informationsaustausch anzusprechen. Luxemburg stand mit diesen Themen in der Vergangenheit international immer wieder am Pranger. Wie ist aus Ihrer Sicht der Stand der Dinge?

Luc Frieden: Luxemburg wendet alle EU- und OECD-Steuerregeln an. Wir brauchen ein System, das das grenzüberschreitende Geschäft auch in Zukunft möglich macht. Europa muss dem Bürger Möglichkeiten zur internationalen Vermögensverwaltung und Anlagemöglichkeiten bieten. Dazu brauchen wir auch gemeinsame Regeln, die den Schutz der Privatsphäre und die Steuerehrlichkeit bei internationalen Finanzgeschäften garantieren. Das deutsche Abgeltungsteuersystem könnte ein Modell für Europa werden.

Dernière mise à jour