"Wir können nicht den einfachen Weg gehen". Le ministre des Finances, Luc Frieden, au sujet de la Tripartite et des efforts de consolidation budgétaire

Luxemburger Wort: Herr Frieden, reden Sie noch mit Nicolas Schmit? Oder hat der Tripartite-Streit Spuren hinterlassen?

Luc Frieden: Ich rede mit allen. Es ist wichtig, dass wir eine gemeinsame Einschätzung der Lage - über die Herausforderungen und die Ziele - teilen. Ich denke, dass wir uns ein realistisches Ziel gesetzt haben. Wir wollen bis 2014 die Finanzen der öffentlichen Hand wieder ins Gleichgewicht bringen. Trotz aller Schwierigkeiten war das eine wichtige Entscheidung der ganzen Regierung.

Luxemburger Wort: Ihnen wurde vorgeworfen, die Tripartite schlecht vorbereitet zu haben. Das Zahlenmaterial sei unvollständig gewesen und habe dauernd nachgebessert werden müssen.

Luc Frieden: Ich bitte Sie. Es lag nun wirklich alles auf dem Tisch. Diese Vorwürfe halte ich eher für ein Ablenkungsmanöver, um sich nicht mit den Problemen auseinandersetzen zu müssen.

Luxemburger Wort: Sie sprechen von der ganzen Regierung. In den letzten Wochen schien das aber nicht so offensichtlich. Man hat eher den Eindruck, dass CSV und LSAP sich nicht einig sind über die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage.

Luc Frieden: Die Regierung steht geschlossen da. Allerdings ist es so, dass es in der Koalition und in den beiden Parteien unterschiedliche Ansichten über die Notwendigkeit und die Dringlichkeit von Sparmaßnahmen gibt. Ich bin davon überzeugt, dass es für unser Land wichtig ist, gesunde Staatsfinanzen zu erhalten. Das ist wesentlich für das Investitionsklima. Dazu gehören vernünftige Steuersätze und diese bedingen wiederum eine niedrige Staatsschuld. Wir können also nicht den einfachen Weg gehen und alles beim Alten lassen. Wir müssen Änderungen vornehmen, die sicherstellen, dass es sich lohnt, Arbeitsplätze zu schaffen und den Sozialstaat finanzierbar halten. Wenn wir so weitermachen wie bisher, ist das alles andere als sicher.

Luxemburger Wort: Am Freitag wurde der LSAP-Politiker Alex Bodry zum Budget-Berichterstatter bestimmt. Er warf Ihnen vor kurzem eine "ideologische Austeritätspolitik" vor. Stellen Sie sich auf einen kritischen Budgetbericht ein?

Luc Frieden: Diese Berichte sind oft kritisch und das ist in Ordnung. Ich gehe davon aus, dass es mit Alex Bodry zu einem konstruktiven Austausch kommt. So wie das in der Vergangenheit der Fall war. Die Regierung will nicht aus ideologischen Gründen sparen, sondern den gesunden Menschenverstand spielen lassen. Es wird übersehen, dass es eigentlich keine Alternative zum Sparen gibt. Es sei denn, man will auf Kosten der nächsten Generation das Defizit mit Schulden finanzieren. Selbst wenn wir bis 2014 ein gesamtstaatliches Gleichgewicht erreichen, die sogenannte öffentliche Hand mit Kommunen und Sozialversicherungen, dann schaffen wir das nur mit einem anhaltenden Defizit des Zentralstaats. Selbst in den sehr optimistischen Szenarien liegt dieses Defizit immer noch bei über einer Milliarde Euro.

Wir machen also notgedrungen weiter Schulden. Es wäre besser wir könnten einen Überschuss vorweisen. Wir müssen also in den nächsten zehn Jahren unsere Ausgabenpolitik neu orientieren. Es geht nicht um Ideologie, es geht um die Zukunft des Landes. Der Staat kann nicht auf Dauer mehr ausgeben, als er einnimmt. Das können Privatleute auch nicht.

Luxemburger Wort: Aber dieser Vergleich mit einem privaten Haushalt wird doch gerne bestritten. Immerhin könnten Sie als Finanzminister Ihre Kasse im Alleingang durch Steuererhöhungen füllen. Eine Familie kann das nicht.

Luc Frieden: Das wäre vielleicht in einer geschlossenen Wirtschaft richtig. Bei uns sind die Hauptsteuerzahler aber nicht an Luxemburg gebunden, nicht zuletzt die Finanzinstitute. Diese haben sich auch auf Grund des steuerlichen Umfelds in Luxemburg niedergelassen. Wenn wir zu sehr an der Steuerschraube drehen, verlagern sich diese Aktivitäten ins Ausland.

Luxemburger Wort: Diese Abhängigkeit ärgert die Menschen ja auch. Die Banken haben die Krise verschuldet und doch diktieren sie weiter das Geschehen und müssen sich nicht an der Bewältigung der Misere beteiligen, so ein weit verbreiteter Eindruck.

Luc Frieden: Für Luxemburg stimmt das ja so nicht. Ein großer Teil unserer Staatseinnahmen stammt aus dem Finanzsektor, und die hiesigen Banken können nicht in einen direkten Zusammenhang mit der Finanzkrise gebracht werden.

Luxemburger Wort: Wie kann es denn sein, dass ein so wichtiger Finanzplatz keinen Einfluss auf die weltweite Krise hatte?

Luc Frieden: Die Krise hatte ihren Ursprung auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt. Die hochspekulativen Geschäfte wurden nicht in Luxemburg geführt. Der Finanzplatz konzentriert sich auf Private Banking, Investmentfonds und internationale Kredite. Die Banken leisten übrigens einen Beitrag zur Bewältigung der Krise. Die Solidaritätssteuer wird erhöht - diese wird vor allem von Banken entrichtet - und bei der Unfallversicherung wurde ein Einheitssatz eingeführt, was wiederum vor allem eine Mehrbelastung für die Banken bedeutet.

Luxemburger Wort: Die Verbriefung von Schuldforderungen galt als Mitverursacherin der Krise und wurde doch auch in Luxemburg eingeführt.

Luc Frieden: Die Verbriefung ist ein gutes Instrument. Aber auf internationaler Ebene muss für mehr Transparenz gesorgt werden, damit genau gewusst ist, was verbrieft wird. Zudem sollten risikovermeidende Bremsen eingebaut werden. Vor allem sollte festgelegt werden, wie viel eine Bank in diese Produkte investieren kann. Die Verbriefung ist aber nicht in Frage gestellt.

Luxemburger Wort: Ihre Partei und Sie selbst haben immer wieder betont, dass Steuererhöhungen nur als letztes Mittel in Frage kommen könnten, um die Staatsfinanzen zu sanieren. Wurde denn wirklich alles Sparpotenzial ausgenutzt, ehe das Steuerpakat geschnürt wurde?

Luc Frieden: Ich hätte es lieber gesehen, dass wir anstatt eines Katalogs von Einzelmaßnahmen größere Ausgabenblöcke hätten abändern können. Nicht zuletzt bei der Indexierung von Einkommen und der Rentenanpassung. Das war aber kurzfristig nicht möglich. Dafür gab es schlicht keine politische Mehrheit. Wir haben uns also auf Sparvorschläge geeinigt, die eine strukturelle Wirkung auf das Budget haben. Diese reichten insgesamt aber nicht aus. Daher mussten wir zusätzlich Steuererhöhungen vorsehen. Ich will aber unterstreichen, dass keine dieser Anpassungen unsere Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigt, da wir unter dem Steuerniveau unser europäischen Nachbarn bleiben.

Wissen Sie, die Idee, wir könnten sparen, ohne dass es jemand merkt, ist natürlich unrealistisch. Sparen ist immer unangenehm, weil man Entscheidungen aus der Vergangenheit rückgängig macht. Die Menschen müssen verstehen, dass wir nicht sparen, um sie zu quälen, sondern weil wir gesunde Staatsfinanzen gewährleisten wollen. Die jetzigen Mehreinnahmen, über die ich mich selbstverständlich freue, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir ein substanzielles Defizit im Zentralstaat behalten. Es muss Priorität der Politik sein, dieses abzubauen.

Luxemburger Wort: Wie wollen Sie den Menschen denn das Steuer- und Sparpaket vermitteln, wenn gleichzeitig die Einnahmen steigen?

Luc Frieden: Die Luxemburger sind bodenständig und wissen, dass ein Defizit nicht im Interesse des Landes ist. Die veröffentlichte Meinung spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Bürger wider.

Luxemburger Wort: Sie wollen eine Index-Regelung, die LSAP will das nicht. Was macht Sie zuversichtlich, dass sich die Standpunkte im Herbst annähern?

Luc Frieden: Ich gehe davon aus, dass wir eine Antwort finden, auf die grundsätzlich Frage, wie die Wettbewerbsfähigkeit des Landes erhalten werden kann, damit Betriebe Arbeitsplätze schaffen können. Der Index ist Teil dieser Debatte. Wir wollen darüber sachlich diskutieren. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass von 1999 bis 2009 die Löhne in Luxemburg um 41 Prozent stiegen, in Frankreich und Belgien um 34 Prozent und in Deutschland um zwölf Prozent. Der Index ist nicht die einzige Frage, aber auch keine Frage, die man ausklammern kann, wenn es um die Konkurrenzfähigkeit geht. Wenn wir neue Unternehmen nach Luxemburg locken wollen, müssen wir die Rahmenbedingungen anpassen und verbessern.

Luxemburger Wort: Wenn aber der jetzige Koalitionspartner partout nicht über den Index reden will, warum nicht auf die Liberalen zugehen?

Luc Frieden: Ich erwarte eine konstruktive Diskussion mit der LSAP und mit der Opposition. Die Staatsfinanzen können kein Element von parteipolitischen Überlegungen sein. Ein Wechsel des Koalitionspartners steht nicht zur Debatte. Die Liberalen haben das ja selbst ausgeschlossen. Neuwahlen helfen jetzt nicht weiter.

Luxemburger Wort: Schwierige Monate liegen hinter Ihnen, ein "heißer" Herbst wird vorhergesagt. Gönnen Sie sich eine Auszeit?

Luc Frieden: Ja, mit der Familie. Man sollte ein bisschen Abstand gewinnen. Ende August nehme ich die politischen Gespräche zur Fertigstellung des Haushalts 2011 auf.

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