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Interview mit Gilles Roth in der Börsen-Zeitung "Diese Entwicklung ist langfristig nicht aufzuhalten"
Interview: Börsen-Zeitung (Kai Johanrsen)
Börsen-Zeitung: Herr Roth, Sie haben das erste digitale Schuldeninstrument Luxemburgs emittiert. Wie war der Zuspruch der Investoren für dieses innovative Instrument namens Digital Treasury Certificate?
Gilles Roth: Wir sind mit der Reaktion des Marktes sehr zufrieden. Bereits in den Wochen vor der Emission hat unser Team eine ganze Reihe von Gesprächen mit potenziellen Investoren geführt, um das Interesse zu testen. Dieses Feedback wird auch für zu künftige Emissionen sehr wertvoll sein.
Der Einsatz von DLT auf den Kapitalmärkten ist noch in einer experimentellen Phase.
Börsen-Zeitung: Welche Investorentypen waren mit dabei?
Gilles Roth: Das Produkt hat sich exklusiv an institutionelle Investoren gewandt. Im konkreten Fall haben wir vor allem Interesse bei Banken und Vermögensverwaltern gesehen.
Börsen-Zeitung: Aus welchen Regionen weltweit kamen diese Investoren?
Gilles Roth: Die Luxemburger Staatsanleihen werden zum allergrößten Teil von europäischen Akteuren gehalten. Dies hat sich auch hier bestätigt.
Börsen-Zeitung: Sie haben für das Debüt eine sechsmonatige Laufzeit gewählt. Warum eine kurze Fälligkeit und können Sie sich vorstellen, künftig auch länger laufende digitale Schuldeninstrumente des Landes via DLT zu emittieren?
Gilles Roth: Bei dieser ersten Emission ging primär darum, die Leistungsfähigkeit des Finanzplatzes Luxemburg und unseres Rechtsrahmens im Bereich der digitalen Finanzen zu demonstrieren. Die Emission erfolgte ganz unter luxemburgischem Recht, und über eine in Luxemburg ansässige Plattform, konkret Orion von HSBC. Das Experiment hat einwandfrei geklappt. Es stellt demnach eine wichtige Etappe für die weitere Digitalisierung unseres Schatzamtes dar. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir in Zukunft öfter auf diese Technologie zurückgreifen werden. Welche Laufzeiten und Größenordnung hier sinnvoll sein werden, überlasse ich den Experten des Schatzamtes, die im engen Kontakt mit den Marktteilnehmern stehen.
Börsen-Zeitung: Ist es auf lange Sicht vorstellbar, die gesamte Refinanzierung des Landes via DLT abzubilden?
Gilles Roth: Ich denke, dass die Entwicklung langfristig in diese Richtung gehen wird, nicht nur in Luxemburg, sondern weltweit. Voraussetzung dafür wird jedoch sein, dass die digitalen Anleihen ohne Umweg zentralbankfähig werden. Der digitale Euro könnte hier das noch fehlende Glied in der Kette sein. Erste Tests, an denen auch die Luxemburger Zentralbank beteiligt war, bestätigen dies. Die Verzahnung zwischen DLT und digitalem Euro wird die europäischen Kapitalmärkte nachhaltig verändern. Luxemburg als führendem Fondsstandort ist es demnach wichtig, diese Entwicklungen nicht nur genau zu verfolgen, sondern sich aktiv daran zu beteiligen.
Börsen-Zeitung: Sie sind nach Slowenien das zweite Land in der EU, das diese neue Technologie einsetzt. Rechnen Sie mit weiteren Staaten und später auch Unternehmen, die sich dann am Primärmarkt technisch entsprechend aufstellen?
Gilles Roth: Diese Evolution ist bereits im Gange. Bereits seit 2022 erlaubt die Luxembourg Stock Exchange DLT Bonds und Security Token auf der offiziellen Liste SOL.
Franklin Templeton hat 2024 den ersten tokenisierten Ucits-Fonds aufgelegt. BNP Paribas hat kürzlich die ersten tokenisierten Geldmarktfondsanteile eingeführt. Die EIB hat bereits fünf digitale Anleihen emittiert. Dies alles am Standort Luxemburg. In Europa verfügen wir mit MiCA, DORA und der DLT-Pilotregelung über einen gemeinsamen Rechtsrahmen, um den Einsatz von Blockchain bzw. DLT zu regeln. Die Letta- und Draghi-Berichte haben klar aufgezeigt, dass kein Weg an einer weiteren Entwicklung der Spar- und Investitionsunion vorbeiführt. Sie soll vor allem Privatanlegern bessere Möglichkeiten verschaffen, Ersparnisse am Kapitalmarkt anzulegen. Die DLT erlaubt grundsätzlich Transaktionen rund um die Uhr, sowie die Fraktionierung von Vermögenswerten, was diese dem breiten Publikum zugänglicher macht. In Zeiten von Mobile Banking und Apps spielen Schnelligkeit, Transparenz und Kosten eine immer größere Rolle. Ein Rückgriff auf die DLT kann hier entscheidend zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen.
Börsen-Zeitung: Welche Vorteile bietet die DLT bzw. Blockchain als Teil der DLT den Emittenten?
Gilles Roth: Zunächst einmal eine sichere und effiziente Abwicklung. Daraus ergibt sich ein beschleunigter Emissionsprozess. Mit anderen Worten: während der Emittent bei einer traditionellen Emission einige Tage auf den Eingang des Geldes warten muss, wird dieser Vorgang bei einer digitalen Emission spürbar beschleunigt. Der gesamte Abwicklungszyklus wird also verkürzt. Dies reduziert das Gegenparteirisiko und erhöht die Liquidität. Bei Einsatz von tokenisierten Zentralbankgeld beziehungsweise dem digitalen Euro wird eine Abwicklung am gleichen Tag machbar sein.
Börsen-Zeitung: Luxemburg hat erst kürzlich das Blockchain-4-Gesetz verabschiedet. Was bedeutet dieses Gesetz für den Finanzplatz Luxemburg?
Gilles Roth: Luxemburg verfügt heute über einen in Europa einzigartigen Rechtsrahmen, der Emittenten und Investoren hohe Rechtssicherheit, Flexibilität und Transparenz bietet. Damit unterstützen wir aktiv die Entwicklung digitaler Wertpapiere und die Tokenisierung. Dies ist nur ein Beispiel, wie unsere Regierung den Kompass konsequent auf Innovation und die Förderung der Attraktivität des Finanzplatzes Luxemburg ausgerichtet hat. Das vierte Blockchain Gesetz schafft die optionale Funktion eines sogenannten Control Agent für die Ausgabe von digitalen Wertpapieren.
Es handelt sich um eine von der Finanzaufsicht regulierte Funktion. Zu den Aufgaben dieses Agenten gehören dann die Führung des Emissionskontos, die Verfolgung der Eigentumsverhältnisse und der Abgleich ausgegebener Wertpapiere. Durch den Einsatz der Blockchain bietet dieses System eine Alternative zum bestehenden Modell, das derzeit eine zweistufige Haltekette zwischen dem zentralen Kontoführer und den sekundären Kontoführern vorschreibt. Es geht also darum, die Wertpapieremission effizienter zu gestalten durch Einsatz von DLT. Diese Entwicklung ist langfristig nicht aufzuhalten. Wir bereiten die Zukunft proaktiv vor.